Das Mädchen aus dem All
Höhle. Vor neunzig Jahren, als man die unterirdischen Gewässer erforschte, hatten die Indikatoren mitten in Kalk- und Sandstein plötzlich ein großes Metallvorkommen angezeigt. Rasch stellte sich heraus, daß in dieser Gegend eine aus uralten Sagen bekannte Höhle liegen muß, die »Den-Of-Kul«, was in der früheren Sprache soviel wie »Zufluchtsort der Kultur« hieß. Als damals ein schrecklicher Krieg drohte, hatten die Völker, die ihre wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften für die fortgeschrittensten hielten, die Schätze ihrer Zivilisation in einer Höhle versteckt. In jenen längst vergangenen Zeiten waren Geheimhaltung und Verbergung noch gang und gäbe.
Weda Kong war ebenso aufgeregt wie die jüngste ihrer Mitarbeiterinnen, als sie den schräg abfallenden glitschigen Lehmpfad hinunterstieg.
In ihrer Phantasie sah sie schon imposante Säle mit großen Safes voller Filmarchive, Zeichnungen und Karten, Schränke mit Magnetofonaufzeichnungen oder den Bändern von Gedächtnismaschinen, Regale mit Proben von chemischen Verbindungen, Legierungen und Medikamenten. Ausgestopfte Bälge längst ausgestorbener Tiere in hermetisch abgeschlossenen Vitrinen, präparierte Pflanzen, versteinerte Skelette der Urbevölkerung des Planeten. Und Silikollplatten mit Darstellungen der berühmtesten Künstler, ganze Galerien von Skulpturen schöner menschlicher Gestalten und bedeutender Persönlichkeiten der Epoche, meisterhaft dargestellte Tiere, Modelle berühmter Bauwerke, Aufzeichnungen denkwürdiger Ereignisse, verewigt in Stein und Metall . . .
Während Weda ihren Träumen nachhing, waren sie in eine drei- bis viertausend Quadratmeter große Höhle gekommen. Von der hochgewölbten Decke, die sich im Dunkel verlor, wuchsen lange Stalaktiten herab. Der Saal war wirklich imposant. In den höckrigen, zerklüfteten Kalksteinwänden waren Nischen eingelassen, in denen Maschinen und Schränke standen. Vor Überraschung einander freudig zurufend, verstreuten sich die Archäologinnen in dem unterirdischen Saal. Viele der Konstruktionen, bei denen stellenweise noch ein Rest von Glas und Lack erhalten war, erwiesen sich als Autos, die von den Menschen der fernen Vergangenheit so geschätzt wurden und in der Ära der Partikularistischen Welt als der Gipfel technischer Perfektion galten. Damals baute man eine Unmenge dieser Autos, doch nur wenige Menschen hatten in solch einem Transportmittel Platz. Die Wagen sahen zwar elegant aus, hatten ausgeklügelte Lenkungs- und Fortbewegungsmechanismen, im übrigen aber waren sie eine unsinnige Einrichtung. Zu Hunderttausenden sausten sie über die Straßen der Städte und über Landwege und brachten Tag für Tag Menschen zu ihren Arbeitsstellen, die aus unerfindlichen Gründen weit entfernt von den Wohnungen lagen. Diese Wagen waren nicht ungefährlich; sie verursachten den Tod unzähliger Menschen. Außerdem verbrauchten sie Milliarden Tonnen wertvoller organischer Stoffe, die sich in der geologischen Vergangenheit des Planeten angelagert hatten, und vergifteten die Atmosphäre mit Kohlendioxid. Die Archäologinnen waren enttäuscht, als sie soviel Raum in der Höhle mit diesen seltsamen, altertümlichen Vehikeln vollgestellt fanden.
Auf niedrigen Gestellen standen große Kolben- und Elektromotoren, mächtige Strahl-, Turbinen- und Atomtriebwerke. In Glasvitrinen lagen, von einer dicken Kalkschicht bedeckt, verschiedene Instrumente und Geräte — wahrscheinlich Fernsehempfänger, Fotoapparate und Rechenmaschinen. Wenn auch manche von ihnen bereits zu rostigem Staub zerfallen waren, so stellte doch das Museum der zum größten Teil noch gut erhaltenen Maschinen einen großen Wert dar. Es gab Auskunft über denStand der Technik einer Epoche, deren historische Dokumente größtenteils in den politischen und kriegerischen Wirren verlorengegangen waren.
Miiko Eygoro, Wedas treue Mitarbeiterin, bemerkte am Ende des Saals hinter einer dicken Säule die dunkle Öffnung eines Ganges. Die Säule erwies sich als das Wrack einer Maschine. Am Boden lag ein Häufchen Kunststoffstaub — die Überreste eines Gitters, das einst den Gang abgeschlossen hatte. Schritt für Schritt drangen die Archäologinnen längs der roten Kabel der Erkundungskarren in eine zweite Höhle vor. Sie lag fast auf gleicher Höhe mit der ersten und war mit mehreren Reihen hermetisch abgeschlossener Schränke aus Glas und Metall, angefüllt. In Großbuchstaben lief eine Inschrift in englischer Sprache an den
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