Das Mädchen aus dem All
auf.
»Jetzt weiß ich, wer das ist«, flüsterte Weda, während sie der vorausgegangenen Gruppe nacheilten. »Das ist Ljau Lan, der Paläontologe. Er hat das Rätsel um die Besiedlung des asiatischen Festlandes im Paläozoikum gelöst.«
»Er ist chinesischer Abstammung?« fragte Dar Weter und dachte an den dunklen Blick der schräggestellten Augen des Wissenschaftlers. »Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich seine Arbeiten nicht kenne.«
»Ich sehe schon, Sie haben wenig Ahnung von der Paläontologie unseres Planeten«, entgegnete Weda. »In der Paläontologie anderer Welten kennen Sie sich wahrscheinlich besser aus.«
In Gedanken zogen an Dar Weter unzählige Formen des Lebens vorüber: Millionen eigenartiger Skelette in den Gesteinsschichten der verschiedenen Planeten — Zeugnisse vergangener Zeiten, die in den Ablagerungen jedes bewohnten Planeten verborgen sind. Zeugnisse, von der Natur selbst geschaffen und so lange von ihr versteckt gehalten, bis ein denkendes Wesen sich ihrer erinnert und aus ihnen Vergessenes rekonstruierte.
Sie stiegen auf eine kleine Plattform, die sich an einen stark gewölbten Bogen anschloß. In der Mitte der Fläche befand sich eine große Mattscheibe. Alle acht setzten sich in stummer Erwartung auf die niedrigen Bänke vor dem Bildschirm.
»Gleich sind die ›Maulwürfe‹ mit ihrem Werk fertig«, erklärte Ljau Lan. »Wie Sie sicherlich schon erraten haben, ziehen sie das blanke Kabel durch die Gesteinsschichten und weben ein metallenes Netz. In vierzehn Meter Tiefe lagern die Skelette der ausgestorbenen Tiere in porösem Sandstein. Drei Meter darunter, also in siebzehn Meter Tiefe, ist die gesamte Fläche von dem Metallnetz durchzogen, das an starke Induktoren angeschlossen ist. So entsteht ein reflektierendes Feld, das Röntgenstrahlen auf die Mattscheibe wirft. Auf ihr werden dann die versteinerten Knochen sichtbar.«
Zwei große Metallkugeln drehten sich auf massiven Sockeln. Scheinwerfer flammten auf, und Sirenengeheul warnte vor der Gefahr. Gleichstrom mit einer Spannung von einer Million Volt ließ alle Anschlüsse, Isolatoren und Freileitungen bläulich aufleuchten.
Scheinbar achtlos bediente Ljau Lan die Schalter und Hebel an der Schalttafel. Die große Mattscheibe wurde immer heller. Verschwommene Konturen zogen langsam auf ihr vorüber. Plötzlich stockte die Bewegung, ein großer verschwimmender Fleck nahm fast die ganze Mattscheibe ein, doch dann wurden seine Umrisse zusehends schärfer.
Noch einige Handgriffe an der Schalttafel, und den Zuschauern zeigte sich matt beleuchtet das Skelett eines unbekannten Tieres. Breite Tatzen mit Krallen krümmten sich unter dem Rumpf, der in einem langen gebogenen Schwanz endete. Besonders augenfällig waren die dicken, massiven Knochen. Die kräftigen Vorderzähne in dem geschlossenen Rachen lagen frei. Der Schädel wirkte von oben wie ein einziger mächtiger Knochen mit ungleichmäßiger, zerfurchter Oberfläche. Ljau Lan schaltete auf Vergrößerung um, und nun füllte der Kopf des vorsintflutlichen Reptils die ganze Mattscheibe aus. Vor ungefähr zweihundert Millionen Jahren hatte es hier an einem Fluß gelebt. Die Schädeldecke war mindestens zwanzig Zentimeter dick. Über den Augenhöhlen, ragten Knochenwülste vor. Ebensolche Vorsprünge schützten von oben die Schläfengruben und die Wölbungen der Schädelbögen. Auf dem hinteren Teil des Schädels war ein großer Kegel zu sehen, offensichtlich ein riesiges Scheitelauge. Ljau Lan seufzte tief auf vor Begeisterung.
Dar Weter wandte kein Auge von dem plumpen, schweren Skelett. Die zunehmende Muskelkraft hatte eine Verstärkung der Knochen bewirkt, die einer großen Belastung ausgesetzt waren, und das wiederum erforderte eine erneute Verstärkung der Muskeln. So führte die direkte Abhängigkeit in den urzeitlichen Organismen die Entwicklung der meisten Tiere in eine Sackgasse, so lange, bis wichtige physiologische Vervollkommnungen einen Ausweg geschaffen hatten und eine neue Evolutionsstufe erreichbar wurde. Daß sich solche Wesen unter den Vorfahren des Menschen mit seinem schönen und erstaunlich beweglichen Körper befanden, mutete ganz unwahrscheinlich an.
Die Abbildung auf der Mattscheibe war bereits durch eine andere abgelöst worden. Der breite parabolische Schädel eines Lurchs war zu erkennen, eines urweltlichenSalamanders, der einst im Permsumpf auf der Lauer gelegen hatte, bis etwas Freßbares in erreichbare Nähe kam. Dieser weitere Beweis für
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