Das Maedchen mit dem Flammenherz
sich um und grinste sie an, in den Augenwinkeln bildeten sich Fältchen. Ob er dieses Lächeln vor dem Spiegel geübt hatte? Wusste er, wie charmant er damit aussah? Er war fast zu perfekt, um echt zu sein – wie ein auf die Erde geschickter Engel.
Nur, dass Dalton eher ein Teufel war.
»Miss Bennet«, begrüßte er sie mit seinem leiernden Akzent. »Guten Abend. Möchten Sie einen Drink?«
Finley schüttelte den Kopf. Sie musste absolut klar bleiben. »Nein, danke. Und entschuldigen Sie meine Verspätung.«
Ein rascher Blick zur Uhr auf dem Kaminsims, und Dalton runzelte die Stirn. »Sie sind doch gar nicht zu spät gekommen.«
Sie konnte es sich nicht verkneifen, dem Hünen ein triumphierendes Grinsen zu schenken. Er funkelte sie finster an.
Der Gastgeber hatte das Geplänkel nicht bemerkt. Mit dem Glas in der Hand deutete er auf das Sofa. »Sie erinnern sich doch an meine Bekannten Jasper Rale und Mei Xing?«
Xing? Wie die gebräuchliche Abkürzung für eine Straßenkreuzung? Das arme Mädchen war mit einem höchst unglücklichen Namen geschlagen. Oder sie hielt es sogar für niedlich. Finley begrüßte die beiden mit einem Nicken. »Einen guten Abend wünsche ich.«
Dalton ging kichernd zum Zweiersofa und winkte ihr, sich zu ihm zu setzen. »Ich mag es, wie ihr Engländer redet.«
»Wirklich? Ich dagegen mag das, was man hier wohl als ›Southern Drawl‹ bezeichnet.« Sie ließ sich neben ihm nieder und überwand sich, entspannt und liebenswürdig zu reagieren. So sollte es ja auch laufen – er musste sie mögen, damit es funktionierte.
»So geht es den meisten Engländern«, schaltete sich Jasper ein. »Wenigstens meiner Erfahrung nach.«
Finley zog eine Augenbraue hoch. »Wirklich? Waren Sie denn mal in England?« Sie fragte sich, was er in diesem Haus tat. Wenn er ein Gefangener war, warum durfte er dann frei herumlaufen? Das sprach nicht unbedingt für seine Unschuld.
»Ich habe eine Weile dort gelebt«, antwortete er.
Sie richtete den Blick auf Mei. »Und Sie, Miss Xing? Waren Sie schon mal in London?«
»Nein«, erwiderte das Mädchen mit täuschend weicher Stimme. Wie eine Wolke, die einen stählernen Kern umgab. »Aber Sie waren ja sicher auch noch nicht in San Francisco oder Peking.«
Finley rang sich ein Lächeln ab und schlug die Beine übereinander. »Nein, das nicht.« Sie war daran gewöhnt, dass andere Mädchen sie nicht mochten, also nahm sie es nicht persönlich. Mädchen brauchten keinen besonderen Grund, um einander zu verachten.
»So faszinierend diese Unterhaltung auch ist«, sagte Dalton und verdrehte dramatisch die Augen, »ich verhungere gleich. Wir wollen essen.« Als er aufstand, bot er Finley den Arm, genau wie es ein richtiger Gentleman getan hätte.
Sie hakte sich unter und ließ sich führen. Dabei packte sie ein wenig fester zu als nötig und spürte die kräftigen Muskeln unter dem Stoff. Er war kein schlaffer Sack, sondern ein kräftiger Mann. Das durfte sie nicht vergessen. Als er die blauen Augen auf sie richtete und schief lächelte, fühlte sie sich wie ein Reh, das ein Löwe als Beute ausgewählt hatte. Griffins Bemerkung, Dalton sei nicht mit Jack zu vergleichen, fiel ihr ein. Dieser Mann war durch und durch ein Schurke.
Das Esszimmer war klein, der Tisch war für vier Personen gedeckt und mit Schnittblumen dekoriert. Die Wände waren in einem angenehmen Korallenrot gehalten, auf einer kostbaren Anrichte aus Ebenholz stand silbernes Serviergeschirr bereit, dessen Inhalt köstlich duftete. Finleys Magen knurrte leise.
Dalton zog für sie den Stuhl zu seiner Rechten vom Tisch ab und nahm am Kopfende Platz. Beim Essen stellte er ihr Fragen, die vermutlich der Erkundung ihres Charakters dienten. Allerdings überraschte sie das anscheinend echte Interesse, das in ihnen zum Ausdruck kam. Sie versuchte, so ehrlich wie möglich zu antworten, weil man für Lügen ein gutes Gedächtnis brauchte, vermied es aber, allzu persönliche Dinge zu offenbaren, und verschwieg alles, was sie mit Griffin oder Jasper in Verbindung bringen konnte.
»Ich könnte ein Mädchen wie Sie gebrauchen, Finley«, sagte er, als er sein dickes Beefsteak anschnitt.
Finley setzte ein amüsiertes Lächeln auf. »Das ist mir klar. Was schwebt Ihnen denn vor?«
Hinter diesen Augen lauerte eindeutig ein Raubtier. »Ich möchte mit Ihnen zusammenarbeiten wie mit einer Freundin. Zuerst aber wüsste ich gern, ob Sie für die Aufgabe geeignet sind. Wären Sie mit einer Prüfung
Weitere Kostenlose Bücher