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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross
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genommen musste man gar nicht über die Maßen wohlhabend sein. Es reichte aus, den Anschein zu erwecken.
    Glücklicherweise war Griff tatsächlich sehr begütert, und seine Familie war sehr alt. Bis vor ein paar Jahren, als seine Eltern gestorben waren, hatten sie außerdem äußerst zurückgezogen gelebt. Nach ihrer Ermordung hatte er fast ein Jahr lang die Geheimkammern und Laboratorien unter dem Haus sowie den Stammsitz in Devon erkundet. Seitdem wusste er, wie viel Großbritannien seiner Familie zu verdanken hatte – vor allem, was die Sicherheit des Landes anging. Daran musste er immer denken, wenn Ihre Majestät Königin Victoria hin und wieder anzudeuten beliebte, Griff sei umgekehrt der Krone etwas schuldig.
    Vor beinahe zwanzig Jahren hatten seine Eltern die Aufgabe übernommen, das von seinem Großvater, dem vierzehnten Duke of Greythorne, begonnene Werk fortzuführen, und waren zum Mittelpunkt der Erde gereist. Dort hatten sie die Wiege des Lebens entdeckt – den Ort, an dem die Schöpfung ihren Ursprung genommen hatte. Erstaunliche Dinge hatten sie dort gefunden, die jedoch nie das Licht der Welt erblicken würden, oder jedenfalls nicht in absehbarer Zukunft. Die Welt war noch nicht dafür bereit. Helena und Edward King hatten ihr Leben der Krone und dem Land gewidmet und waren dafür getötet worden.
    Als Dank hatte Königin Victoria ein hübsches Rosenarrangement zur Beerdigung geschickt.
    Als sich Griff entschlossen hatte, ebenfalls den Schutz seines Vaterlandes zu seiner Aufgabe zu machen, war dies keineswegs aufgrund irgendeines Pflichtgefühls gegenüber der Monarchin geschehen. Er tat es zu Ehren seiner Eltern, und weil er eines Tages den Menschen zu finden hoffte, der für ihre Ermordung verantwortlich war. Dann wollte er Rache üben.
    In diesem Augenblick lag ihm jedoch nichts ferner als Vergeltung, auch wenn er dieses Motiv nie völlig aus den Augen verlor. Er stand am Fußende eines großen Himmelbetts in einem der vielen Schlafzimmer seines Hauses und beobachtete mit verschränkten Armen Emily Ryan. Sie zählte zu den klügs ten Menschen, die er kannte, und kümmerte sich gerade um die bewusstlose Besucherin. Die Zimmermädchen hatten ihr bereits die durchnässte Kleidung ausgezogen und sie ins Bett gesteckt.
    »Besonders beängstigend sieht sie ja nicht aus«, befand Emily mit deutlichem irischen Zungenschlag, während sie die Spitze eines umgebauten Parfümzerstäubers vor die verletzte Stirn des Mädchens hielt. Die hübsche Glasflasche war mit einer Injektionsnadel aus Messing versehen, und sobald Emily auf den Blasebalg drückte, schoss eine kleine Dunstwolke aus dem Glasbehälter und breitete sich auf der verletzten Hautpartie aus. Der Dunst bestand aus dem Leben spendenden Stoff, den Griffs Eltern im Inneren der Erde gefunden hatten. Dabei handelte es sich um winzige Geschöpfe, die das Verhalten der menschlichen Zellen nachahmen konnten. Diese Organellen oder »Biesterchen«, wie Emily sie nannte, dockten im Körper an und kopierten dessen Zusammensetzung. Wurden sie in eine Wunde gesprüht, dann trugen sie dazu bei, dass die Haut zusammenwuchs und die Wunde verheilte. Am nächsten Morgen würde das Mädchen vollständig wiederhergestellt sein, und es würde nicht einmal eine winzige Narbe zurückbleiben. Griffs angeschlagenes Knie war mit einem ähnlichen Gebräu behandelt worden, und er spürte schon jetzt Linderung.
    Die Existenz dieser Organellen war eines der Geheimnisse, die Griff unbedingt hüten musste. Die Königin hatte nichts von dieser Entdeckung seiner Eltern wissen wollen. Ihr war das Erz, das sein Großvater geschürft hatte, viel wichtiger gewesen – eine wundervolle, von den Organellen hergestellte Substanz, die Energie abstrahlte. Mithilfe dieser Kraft konnte man einzelne Maschinen oder einen ganzen Haushalt betrei ben. Alles andere, so hatte die Königin geurteilt, komme einem Beweis für die radikalen Theorien eines gewissen Mr. Darwin viel zu nahe. Victoria war der Ansicht, die Kirche könnte auf eine solche Entdeckung mit größtem Unmut reagieren. Schlimmer noch – der Fund könnte gar die Menschen korrumpieren und dazu verleiten, sich an Gottes Stelle zu setzen. Also hatte sie befohlen, dass die Organellen zu zerstören seien oder wenigstens zum Mittelpunkt der Erde zurückbefördert werden mussten.
    Griff hielt die Herrscherin für eine ängstliche alte Frau, aber ihn fragte ja niemand nach seiner Meinung, und er und seine Freunde ließen sich

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