Das Maedchen mit den Schmetterlingen
in einem Heim landen würde, sobald Seán sich aufraffen konnte zu heiraten. Kate konnte sie ja schlecht zu sich nehmen. Sie hoffte, dass Seáns Frau sich zumindest um das Baby kümmern würde, aber für die bedauernswerte, seltsame Tess würde dann kein Platz mehr sein, so viel stand fest. Kate hatte versucht, Tess beizubringen, den Haushalt zu führen und sich um Ben zu kümmern, aber sie verkroch sich ständig unter irgendwelchen Möbeln und hielt sich die Ohren zu. Alle möglichen Geräusche störten sie - der Traktor und sogar das Radio, wenn es nicht sauber eingestellt war. Tess lebte nach ihren eigenen Regeln - wann es Zeit war, ins Bett zu gehen, wann es Zeit war zu schlafen, welche Kleider nur am Sonntag angezogen wurden. Man hätte Tess jederzeit für Stunden zum Schweigen bringen können, wenn man behauptete, das sei jetzt eine neue Regel. Kate, die Tess unentwegt auftragen musste, was sie zu tun hatte und wann sie es zu tun hatte, seufzte und schlug einen sanften Ton an, als sie ihre Schwester ein wenig unbeholfen im Türrahmen stehen sah. Sie wusste, dass Tess wieder eine ihrer »Fragen« hatte.
»Ja, Tess, was möchtest du denn wissen?«
»Wann stirbt Daddy eigentlich, Kate? Wie lange dauert es noch, bis Seán den Hof bekommt?«
Kate spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie hatte Tess eigentlich gebeten, nicht in die Küche zu kommen, solange Mrs. Moore da war, aber trotzdem … eine solche Frage sah ihr eigentlich nicht ähnlich. Wie sollte sie das aber ihrer zukünftigen Schwiegermutter und ihrem Bräutigam klarmachen?
»Tess, so etwas sagt man nicht. Daddy ist ja noch jung, und Seán möchte doch nicht, dass Daddy stirbt, nur damit er den Hof bekommt. Das weißt du doch!«
»Nein, Kate, du hast gesagt, dass wir uns irgendwie mit ihm abfinden müssen, auch wenn er betrunken ist, damit Seán den Hof bekommt, wenn er tot ist, weißt du noch?«
Kate saß in der Falle. Ein Blick in Tess’ unschuldige Miene sagte mehr als tausend Worte, und ihr fiel nichts anderes ein als ein lautes: »Tess, lass uns bitte allein!«
Tess gehorchte, und ihre Bestürzung war nicht zu übersehen. Kate setzte sich wieder und hoffte, dass ihre Besucher nicht ihre zitternden Hände bemerkten, die die Teetasse umklammerten. Mit dem Gefühl, dass sie nichts mehr zu verlieren hatte, sagte sie: »Arme Tess, sie fantasiert sich alles Mögliche zusammen, Alpträume und so weiter. Ich mache mir große Sorgen, aber sie kann nichts dafür, das ist eben ihre Behinderung.«
»Ich hoffe, das liegt nicht in der Familie«, entfuhr es ihrer Schwiegermutter eine Spur zu hastig, bevor sie die zähe Konversation mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter wieder aufnahm.
Aber da wusste Kate noch nicht, dass weder Mrs. Moore noch Noel je wieder einen Fuß über ihre Schwelle setzen würden.
Seán Byrne hatte keine Lust aufzustehen, was noch nie vorgekommen war, seit er denken konnte. Als Kind war er immer schon bei Tagesanbruch aufgestanden und hatte auf dem Hof gearbeitet, bevor der verhasste Schultag begann. Er war ein schlechter Schüler gewesen, aber schlau genug, um sich auf das zu konzentrieren, was er wirklich beherrschte. Im Morgengrauen hatte er gehört, wie sein Vater sich hinter dem Schuppen übergeben hatte, nachdem er wieder Geld in den Pub getragen hatte, das sie dringend für etwas anderes hätten gebrauchen können. Aber er war machtlos, er konnte
nichts dagegen unternehmen. Der Hof hatte zwar ursprünglich seiner Mutter gehört, würde aber erst dann in seinen Besitz übergehen, wenn der Alte tot war. Er würde ihn niemals vorher überschreiben und vorzeitig in Ruhestand gehen, würde niemals erlauben, dass Seán dem Hof seinen eigenen Stempel aufdrückte. Nein, sein Vater hatte ihn eigentlich immer schon abgelehnt und keine Gelegenheit ausgelassen, ihn zu beleidigen oder bloßzustellen. Seán wusste von den Gerüchten im Dorf, dass Michael Byrne gar nicht sein leiblicher Vater war, sondern seine schwangere Mutter in aller Hast geheiratet hatte, um einen Skandal zu verhindern. Das Angebot, im Gegenzug den Hof zu übernehmen, war einfach zu verlockend gewesen. Als Kind hatte Seán manchmal mit angehört, wie sein Vater betrunken nach Hause gekommen war und seine Mutter angebrüllt hatte, dass er »einen Sohn will«. Dann verriegelte seine Mutter, die nach Kates Geburt etliche Fehlgeburten erlitten hatte, jedes Mal die Schlafzimmertür, worauf sein Vater sie eintrat. Und dann herrschte Stille. Seán hätte gern
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