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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ihr niemals in den Sinn gekommen, die Gegenstände von ihrem angestammten Platz zu nehmen und ins Gästehaus zu tragen. Sie war nicht die Besitzerin der Dinge, sie verstand sich nur als Hüterin.
    Sie hatte ein Leben und ein Zuhause und eine Aufgabe und war schon beinahe so weit, sich glücklich zu nennen, als es eines Abends, kurz nach der Dämmerung, an das Tor klopfte.
    Rosamund hatte vorgehabt, ein neues Heiligenbildchen zu malen. Im Kerzenschein hatte sie arbeiten wollen, einen Becher heiße Milch dazu trinken. Und jetzt klopfte es, klopfte wieder und wieder.
    Niemand soll vor dem verschlossenen Tor stehen, erinnerte sie sich ihrer Vorsätze, und ging öffnen.
    Vor der Tür stand ein Mann, der sie mit offenem Mund anstarrte. «Ist es also doch wahr?», stammelte er.
    Rosamund umarmte ihn vorsichtig. «Vater», flüsterte sie. «Ich freue mich so, dass du mich besuchen kommst.»
    Sie nahm ihn beim Arm und führte ihn hinein. Der Vater sah sie unverwandt an, als hätte er sie noch nie gesehen. Einmal strich er ihr über das Haar, ein anderes Mal berührte er zart den Ärmel ihres Gewandes.
    Rosamund erhitzte Wein, bot dem Vater den Schemel an, schnitt Brot und Käse.
    Der Vater aß und trank, doch noch immer konnte er seinen Blick nicht von ihr wenden.
    «Also ist es doch wahr», sagte er hin und wieder, bis Rosamund fragte: «Was ist wahr?»
    «Dass du eine Heilige bist.» Er blickte sie unverwandt an.
    Rosamund lachte. «Wer erzählt so etwas?»
    Der Vater breitete die Arme aus. «Alle. Sogar in Frankfurt wird von dir gesprochen. Die Heilige von Mariahilf nennen sie dich.»
    «Ich bin keine Heilige.»
    «Du hast das Feuer überlebt.»
    «Das stimmt, aber das haben noch viele andere Schwestern. Deshalb bin ich nicht heiliger als andere.»
    Der Vater strich ihr wieder über das Haar, als müsse er sich vergewissern, dass sie kein Trugbild war.
    «Erzähle mir, wie alles geschehen ist», bat er.
    Und Rosamund erzählte, fragte dann den Vater, was er gehört habe.
    «Vom Feuer haben wir zu Weihnachten erfahren. Sogleich habe ich eine Kerze für dich entzündet. Die Mutter hat ein Tränchen verdrückt, das Urselchen den Mund verzogen. Der Dietrich aber, der hat geheult wie ein Schlosshund. «Den Tod im Feuer, das hat sie nicht verdient. Sie ist doch keine Hexe», hat er immer wieder gesagt.»
    «Und du, Vater, was hast du gedacht?»
    Er sah sie an, sein Blick war müde und sein Gesicht grau.
    «Nichts habe ich gedacht. Alle Gedanken waren aus meinem Kopf gewischt wie Kreide von der Tafel. Nichts hat mir mehr geschmeckt, die Arbeit ging nicht von der Hand, das Lachen habe ich verloren und das Weinen auch.»
    Er sah hoch, griff jetzt beide Hände. «Es war falsch, Rosamund, dich hierher zu geben. Ich war feige, wollte nur meine Ruhe haben vor der Mutter und dem Urselchen. Dich, mein Liebstes überhaupt, habe ich weggegeben. Gott verzeihe mir meine Schwach- und Feigheit. Und vergib auch du mir, Rosamund.»
    Rosamund antwortete: «Ich habe dir nichts zu vergeben, Vater. Eine schöne Zeit hatte ich hier vor dem Brand. Und auch jetzt geht es mir gut. Es mangelt mir an nichts, und niemand ist da, der sagt, dass ich nicht recht bin.»
    «Eine Heilige nennen sie dich. Es wird erzählt, ein junger Kannengießer hätte in der Nacht ganz deutlich einen Heiligenschein über deinem Haupt gesehen. Er sprach auch von deinem Gewand. So herrlich wäre es, als hätte Gott höchstselbst die Fäden dafür geknüpft.
    Dann haben dir die Leute Essen gebracht. Zum Dank erhielten sie Heiligenbildchen, und pünktlich zu den Drei Königen hättest du den Schnee tauen lassen.»
    «Das war ich nicht, das war die Natur, Vater. Alles war die Natur. Selbst der Heiligenschein kam nur vom Mondlicht. Ich bin keine Heilige, das weißt du. Auch keine Teufelin. Ich bin einfach nur Rosamund.»
    Da nahm der Vater sie in die Arme. Tränen rollten über seine eingefallenen Wangen. «Ich weiß, mein Kind. Ich weiß es doch. Aber die anderen, sie denken sich, was ihnen passt.»
    Rosamund strich ihm mit dem Finger zart die Tränen von den Wangen. «Aber sie täuschen sich. Als ich der Teufel war, täuschten sie sich, und jetzt bin ich plötzlich eineHeilige für sie. Wie es gerade passt. Ist das nicht wahrhaft merkwürdig?»
    «Das ist es wohl und zeigt, wie dumm der Mensch doch ist», bestätigte der Vater. «Ich bin gekommen, weil ich ahnte, dass du diese Heilige bist. Ich bin hier, um dich nach Hause zu holen.»
    «Nach Frankfurt? Was soll ich da, Vater?»,

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