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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wie es die Benediktinerinnen getan haben. Ora et labora. Ich werde arbeiten, werde das Gästehaus wieder zu einem machen. Im Frühjahr werde ich ein Stück Feld beackern, die Aussaat klaube ich mir vom Boden der Vorratskammer. Ich werde Kräuter suchen und Tränke daraus brauen. Vielleicht kann ich diese im Ort verkaufen, mit dem Geld Kerzen und Seife, ein bisschen irdenes Geschirr erstehen. Außerdem könnte ich meine Dienste als Schreiberin im Dorf anbieten. Der Dietrich und der Vater haben’s mir beigebracht, weil manche Leute in Frankfurt gern einen Spruch haben wollten im Wandfries.
    Ich werde jedem ein Heim bieten, der es will. Niemand soll vor dem verschlossenen Tor bleiben. Die Klausnerin von Mariahilf werde ich sein. Oder bin ich es schon?
    Mit dieser Frage schlief sie ein, stand am nächsten Morgen damit auf, öffnete die Tür vom Gästehaus, um frische Luft hereinzulassen, und fand auf der Schwelle einen Korb, aus dem es duftete.
    Rosamund nahm den Korb, sah sich nach allen Seiten um, doch da war niemand. Das Hoftor war verschlossen. Sie trug den Korb ins Haus, lüpfte das Tuch – und fand darunter ein halbes Dutzend Eier, eine geräucherte Wurst, einen frischen Laib Brot, ein Stück Käse, eine Kanne Milch und ein paar gestrickte Schafwollsocken.
    Laut lachte Rosamund auf, sah nach oben und sagte:«Ich säe nichts, ich ernte nichts, und du ernährst mich doch.»
    Dann bereitete sie sich ein Festmahl, schmauste und schlürfte, und als es dunkel geworden war, läuteten die Glocken der Bickenbacher Kirche bis hinein in ihr stilles Tal, und Rosamund wusste, es ist Weihnacht.
    Zwei Tage später stand wieder ein Korb mit Köstlichkeiten vor der Tür, ein Pudding war dabei, ein Stück Braten sogar. Und wieder kein Hinweis, wer der Spender war.
    Rosamund war voller Dankbarkeit. Und diese Dankbarkeit machte sie mutig. Um die Mittagsstunde, als der Tag am hellsten war, nahm sie sich ein Herz und eine Kerze, drang durch den Geheimgang in die Ruine ein, wühlte sich durch Schutt und Asche bis zum Arbeitszimmer der Oberin. Dort lagerten noch Papier und Stifte. Rosamund nahm alles mit, was sie finden konnte, zwei Kohlestifte, zwei Federkiele und ein Tintenfass, presste die Schätze an ihre Brust, schützte sie mit dem Priestergewand und trug sie vorsichtig in ihre Klause. Dort breitete sie die Sachen aus und begann zu zeichnen. Ein kleines Bildchen nur, eine Heiligenfigur aus Kohle. Dann rieb sie einen Ziegelstein, bis er pulvrig war, vermischte ihn mit dem Butterfett und malte der Heiligen einen ziegelsteinroten Mantel. Als das Bild fertig war, legte sie es in den Korb, bedeckte ihn vorsichtig mit einem Tuch und stellte ihn vor die Tür an eine geschützte, windstille Stelle.
    Den nächsten Tag verbrachte Rosamund damit, einen alten Weinstock auszugraben. Über dem Feuer trocknete sie ihn, zerrieb dann das schwarze Holz zu Pulver, gab einEiklar hinein und hatte die satteste schwarze Farbe, die sich denken ließ. Für das Gelb zerschlug sie eine ohnehin zerbrochene Butzenscheibe, zerrieb auch diese zu feinem Pulver, gab ein wenig Leinöl dazu. Sie erhielt kein sattes Gelb, auch kein Gold, sondern nur eine leichte Tönung, die sich aber auf dem weißgrauen Papier hervorragend machte.
    Zum Schluss schnitt sie sich eine dicke Strähne ihres kräftigen Haares ab, band es fest zusammen, führte einen Stab in die Verbindung und hatte so einen Pinsel, der zwar nicht viel taugte, mit dem sich aber mehr schlecht als recht malen ließ.
    So saß sie und malte Heiligenbilder, und den Mangel an gutem Material machte sie wett durch ihren Eifer und ihre Sorgfalt. Für jeden neuen Korb bedankte sie sich mit einem Bildchen, fühlte sich wohl dabei und nützlich.
     
    Am Tag der Heiligen Drei Könige begann es zu tauen. Warmer Wind war aus dem Süden gekommen, lutschte an den Eiszapfen. Rosamund saß auf dem Brunnenrand im Hof, auf den Knien ein kleines Blatt, den Kohlestift in der Hand, und zeichnete die tauenden Eiszapfen. Sie hätte so gern gemalt, am liebsten mit blauer Farbe, mit Indigo, das man hinter den Alpen herstellen konnte, aber hier, in der Ruine, fand sie nichts, das sich verwenden ließ.
    Blau. Sie hatte eine solche Sehnsucht nach dieser Farbe, dass sie sich am Himmel nicht sattsehen konnte, sie vermisste das Blau wie einen Freund.
    Wenn sie mit dem Malen fertig war, begab sie sich in die Sakristei. Sie polierte den silbernen Leuchter, wienertedie Monstranz, bis sich die Sonne darin fing, staubte die Bibel ab. Es wäre

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