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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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fragte Rosamund. «Mir geht es gut hier.»
    Der Vater sah sich um. «Ich sehe es. Aber du kannst hier nicht bleiben. Sobald das Frühjahr kommt, wird das Kloster abgetragen. Ich hörte es im Dorf. Die Benediktinermönche haben es so beschlossen. Komm nach Hause, Rosamund. Komm zu mir. Da gehörst du hin.»
    Rosamund schwieg. Es war spät geworden, der Vater war müde vom Tag und vom Wein.
    «Lass uns schlafen gehen», schlug sie vor.
    Sie holte ihren Strohsack, bereitete dem Vater ein bequemes Lager vor dem Feuer. Dabei fragte sie: «Was würde die Mutter sagen, wenn ich heimkäme? Und das Urselchen? Ich bin ihnen doch immer nur im Wege gewesen.»
    Der Vater lächelte ein graues Lächeln. «Jetzt nicht mehr. Jetzt bist du eine Heilige. Sie verehren dich mittlerweile. Die Mutter sagt, sie hätte schon immer gewusst, dass ein Segen auf dir liegt. Und das Urselchen brüstet sich, hofft, ein bisschen vom Heiligenschein strahlt auch auf sie ab.»
    Rosamund verzog den Mund.
    «Verurteile sie nicht, mein Liebling», bat der Vater,schon vor dem Feuer ausgestreckt. «Sie wissen es nicht besser. Gott hat sie so gemacht, wie sie sind. Wir alle haben Fehler, können nicht aus unserer Haut.»
    Rosamund nickte, bedeckte den Vater mit der Altardecke, wünschte ihm eine gute Nacht. Dann ging sie noch einmal vor das Haus, bestieg die Klostermauer und besah das Land im Licht des Mondes.
    So sind die Menschen, dachte sie. Ich muss ihnen vergeben, weil sie nicht wissen, was sie tun. Ihre Dummheit muss ich ihnen verzeihen. Warum ist das nur so schwer? Sie dachte an Urselchens Engelsgesicht, an ihren Herzchenmund, der so bittere Worte ausstoßen konnte. Sie dachte an die Mutter, die so kalt war zu ihr. Und wer, fragte sie sich in dieser sternenklaren Nacht, wer denkt an mich?
    Sie sah nach oben, als wolle sie Gott schauen. Da fiel eine Sternschnuppe vom Himmel. Sie lächelte. Muss ich besser sein, weil ich klüger bin?, dachte sie und schalt sich sofort für ihren Hochmut. Dann seufzte sie, wollte am liebsten das Land vor ihr in die Arme nehmen. «Ich möchte nicht weg von hier», flüsterte sie. «Aber bleiben kann ich auch nicht. In der Stadt, da gibt es mehr Möglichkeiten. Vielleicht findet sich dort ein Platz für mich.»

Vierzehntes Kapitel
    Bevor der Vater am nächsten Morgen erwachte, betrat Rosamund zum letzten Mal den Geheimgang. Sie nahm die Bibel, den silbernen Leuchter und die Monstranz an sich, hüllte sie sorgsam ein und barg sie an ihrer Brust. Ich habe geschworen, diesen Schatz zu hüten, dachte sie. Und ich werde nicht zulassen, dass die habgierigen Mönche sich seiner bemächtigen. Ich werde ihn an einen Ort bringen, der ihm gebührt.
    Dann weckte sie den Vater, kochte einen Brei aus Mais, gab ein wenig Butter hinzu, erhitzte Milch.
    «Ich bin bereit», erklärte sie ihm beim Frühstück. «Ich werde mitkommen nach Hause. Meine Kammer hätte ich gern wieder und auch meinen Platz in der Werkstatt.»
    Der Vater nickte, nahm vom Brei. Dann ließ er den Löffel sinken, betrachtete Rosamund. «Du bist hübsch», sagte er, aber die Tochter schüttelte den Kopf. «Nein, das bin ich nicht. Meine Augen, die kleine Nase, der breite Mund. Nichts an mir ist niedlich, puppenhaft. Du findest mich schön, weil du mich liebst. Für andere bin ich nichts als   …» Sie brach ab, hatte sagen wollen «ein Mensch». Aber nicht einmal das war sie. Zuerst das Mädchen mit den Teufelsaugen, dann die Heilige.
    «Wirst trotzdem einen Mann finden, jetzt, wo dein Leumund besser nicht sein kann», sagte der Vater und nahm den Löffel wieder auf.
    Rosamund zuckte mit den Schultern. Einen Mann finden, Kinder kriegen. Sie hatte seit Falk nie mehr darüber nachgedacht, weil sie sicher gewesen war, dass es ein solches Leben nicht für sie geben würde. Auch jetzt konnte sie sich das nicht vorstellen. «Wir werden sehen, was kommt», sagte sie.
    Der Vater lächelte. «Deine Mutter hat sich schon Gedanken darüber gemacht. Es kann gut sein, dass du bald schon einen Freier hast.»
    Rosamund schwieg.
    Sie räumte zusammen, was sie mitnehmen wollte. Viel war es nicht. Die paar Malsachen, der Schatz aus der Kapelle.
    Sie verriegelten das Gästehaus, schlossen achtsam das Tor und begaben sich auf den Weg ins Dorf. Dort befand sich ein Mietstall. Der Vater wollte für Rosamund ein Pferd leihen, das sie nach Frankfurt brachte.
    Als sie sich dem Dorf näherten, traten die Menschen aus ihren Katen. Sie grüßten Rosamund voller Ehrfurcht. Eine junge Frau

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