Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Ich werde einen Mann lieben, der aus der Fremde kommt. Von weit her sogar. Sie ließ die Hand sinken, wusste nicht, ob sie froh oder traurig sein sollte. Ein Fremder, das hieß, dass sie einen Mann zum Lieben fand. Aber ein Fremder hieß auch, dass es Schwierigkeiten geben würde. Denn ein Fremder war das, was er war: fremd.
Siebzehntes Kapitel
Seit Tagen schon lief der Vater mit Leichenbittermiene herum.
«Weißt du, was er hat?», fragte Rosamund den Gesellen Dietrich.
Der wiegte den Kopf. «Mit der Zunft gibt es wohl Ärger.»
«Und weißt du auch, was für einen Ärger?»
«Nicht genau. Es wird gemunkelt, der Michael, der zukünftige Schwiegersohn, macht sich breit in der Zunftstube. Die nächste Wahl steht bald an, und er sieht sich wohl schon als Nachfolger deines Vaters. Jedenfalls versucht er schon jetzt, die Aufnahme eines Neuen zu verhindern. Die Alten hat er damit auf seine Seite gebracht.»
Rosamund zuckte mit den Achseln. «Warum auch nicht? Vater wollte ohnehin nicht mehr als Zunftmeister kandidieren. Er ist alt, sagt er, möchte mehr Ruhe und Zeit haben für die Dinge, die ihm Spaß machen. Du weißt doch, Dietrich, die Mutter hat sich schon lange einen Fries in ihrem Salon gewünscht. Und er selbst, davon hat er oft gesprochen, würde gern an der Hofseite des Hauses die Bewohner dranmalen.»
«Ja, so ist das wohl, aber der neue Zunftmeister ist nichtso ganz nach seinem Geschmack.» Dietrich beugte sich vertraulich zu Rosamund hinab. «Ein Speichellecker sei er, der den Reichen und dem Rat nach dem Munde redet, aber dabei nur seine eigenen Schäfchen ins Trockne bringen will.»
«Was ist daran so ungewöhnlich? Für das Urselchen wäre es doch gut. Und für uns wäre es nicht schlecht, wenn ein Verwandter diesen Posten besetzt.» Rosamund ließ nicht locker, doch Dietrich kniff die Lippen zusammen. «Genaues weiß ich nicht. Die Leute erzählen viel, wenn der Tag lang ist. Am Ende stimmt’s nicht, und ich bin als Tratschmaul verschrien.»
Mit diesen Worten wandte sich Dietrich erneut seiner Arbeit zu, doch Rosamund war sich sicher, dass er nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.
Sie lief in den Garten, um ein paar frische Haselzweige zu schneiden. Den Saft wollte sie auspressen und unter die grüne Farbe mischen, damit sie der Natur so nahe wie möglich kam. Sie hatte das Gartentürchen beinahe erreicht, als ein Quieken, das sie von der Verlobung her noch gut im Ohr hatte, sie innehalten ließ. Vorsichtig spähte Rosamund hinter der Hauswand hervor.
Das Urselchen stand an einen Baum gelehnt, den Rock bis zum Bauch hochgeschoben, die Schenkel weiß, glatt und bloß. Und vor ihr der Michael, dem die Hose um die Knöchel hing und der sich so eng es ging an das Urselchen presste.
«Jetzt mach doch», drängte das Urselchen und schob ihren Schoß ganz weit nach vorn.
Und der Michael nahm seinen Schwanz, bahnte ihm den Weg in Urselchens Grotte und stieß dann zu, als wolle er die Ursula in der Mitte entzweisägen. Hochrote Wangen hatte die kleine Schwester, und die Augen hielt sie geschlossen, während sie sich die feuchten Lippen leckte. «Ja, ja, mach weiter. So ist es gut», feuerte sie ihren Verlobten an.
Rosamund seufzte, verschob die frischgeschnittenen Haselruten auf später und schlich sich in die Werkstatt zurück.
Beim Mittagessen versuchte sie, vorsichtig die Mutter und das Urselchen auszufragen. «Habt ihr, du und der Michael, schon das Aufgebot bestellt?»
Das Urselchen schüttelte den Kopf, dass die Locken flogen. «Jetzt, da du eine Heilige bist, werden die Leute es hinnehmen, dass ich vor dir heirate. Aber uns drängt ja nichts», erklärte sie scheinbar unbefangen, doch Rosamund sah, wie sich ihre Augen verdunkelten. Sie nickte und musterte den Leib ihrer Schwester. Sie hatte nun ja genau gesehen, was das Urselchen trieb, wenn sie der Mutter erzählte, sie wolle mit ihrem Verlobten nach den Rosen im Garten sehen. Wenn niemand den Dingen Einhalt gebot, dachte Rosamund, dann mussten die beiden sicher recht schnell vor den Altar treten. Und wie gut, dass sie nun nicht mehr den Vortritt hatte. Sie blickte zur Mutter, die ihrem Mann einen scheelen Blick zuwarf und sich dann am Hals kratzte.
Der Vater war taub für das Unausgesprochene bei Tisch, war ganz in die eigenen Gedanken versunken. «Ein Meister hat um Aufnahme in die Zunft gebeten», sagteer. «Er ist talentiert, würde neuen Wind in unsere verstaubten Stuben bringen, aber die anderen … ich weiß nicht. Am Ende
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