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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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eine Teufelin bin.»
    Mehrere Menschen in der Kirche hatten die Münder aufgerissen. Einige Frauen umklammerten das Kreuz, das sie als Kettenanhänger trugen. Die Stille war so umfassend, dass man meinte, den Staub in den Ritzen knistern zu hören. Wieder ließ Rosamund ihren Blick schweifen, bevor sie weitersprach: «Heilige können Wunder wirken. Ich kann es nicht. Wir alle sehnen uns nach einem kräftigen Frühlingsregen. Nun, heute bitte ich Gott darum. Bin ich eine Heilige, so wird es vor dem Abend noch ein Gewitter geben. Wenn nicht, so gewährt mir bitte Frieden und lasst mich einfach Rosamund Hoffmann sein.»
    Mit diesen Worten drehte sie sich zum Altar, bekreuzigte sich und schritt dann langsam und ruhig aus der Kirche.
     
    Als das Gewitter am Abend über Frankfurt hereinbrach, mit himmlischen Sturzfluten den Staub von der Stadt wusch, die Blumen aufrichtete und den Menschen dasKopfweh nahm, lag Rosamund in ihrer Kammer und weinte.
    «Warum?», schluchzte sie. «Warum ich, lieber Gott?», aber sie erhielt keine Antwort.
    Am nächsten Morgen betrachtete Ursula ihre Schwester mit Staunen. «Wie hast du das gemacht?», fragte sie. «Sag mir, wie hast du es angestellt? Die Leute haben Blumen vor die Tür gestellt und Kerzen aus echtem Bienenwachs. Und dem Vater rennen sie die Werkstatt ein nach Heiligenbildern.»
    Rosamund schwieg, aß stumm ihren Brei, der ihr in der Kehle stecken blieb.
    Lisbeth tat ihr noch einen Löffel Butter drauf. «Iss, meine Liebe, damit du bei Kräften bleibst.» Sie sah so stolz aus, als hätte sie eigenhändig mit ihren Topfdeckeln das Gewitter herbeigedonnert. «Das ist nicht alles, was sie kann», erklärte sie dabei dem Urselchen. «Sie kann noch viel mehr. Eine Zigeunerin hat sie gesäugt. Na ja, wir hielten sie damals für eine Zigeunerin. In Wahrheit wird wohl schon die Tonia eine Heilige gewesen sein. Die Zukunft konnte die Tonia aus der Hand lesen, und sie hat immer mit der Rosamund geübt.»
    «Du kannst auch aus der Hand lesen?» Das Urselchen hatte vor Aufregung rote Wangen bekommen.
    Rosamund schwieg noch immer, schüttelte nur den Kopf.
    Ursula streckte ihr die Hand vor die Nase. «Lies mir vor, was darin steht.»
    «Ich kann so etwas nicht; ich will so etwas nicht. Nur indie Werkstatt will ich und tun, was zu tun ist», erwiderte Rosamund und musste mit den Tränen kämpfen. Sie fühlte sich so verloren und verlassen wie noch nie in ihrem Leben. Sogar in der Ruine von Mariahilf war sie nicht so einsam gewesen. Hier war sie ein Spiegel, in dem die Menschen sahen, was sie gerade brauchten.
    «Nun lass sie doch nicht so lange zappeln», tadelte die Mutter sanft. «Sie ist deine Schwester. Großes steht ihr bevor. Du wirst sie doch nicht ins Unglück laufen lassen, falls in ihrer Hand etwas steht, das sie wissen müsste.»
    «Ich kann das nicht», wiederholte Rosamund.
    «Willst du die eigene Schwester schädigen? Ist das vielleicht gottesfürchtig? Der Herr hat dir diese Gabe gegeben, damit du sie nutzt. Und zwar für dich und die deinen. Einer Gabe kann man sich nicht verweigern. Wie willst du einst dastehen vor dem Jüngsten Gericht, wenn Gott dich fragt, warum du deine Schwester nicht behütet hast.»
    «Vielleicht steht in ihrer Hand ja nichts von einem Unheil», warf Rosamund ein. Sie hatte das Gefühl, als kämen ihr die Mutter und die Schwester mit jedem Atemzug näher.
    «Für dich ist es ein Leichtes», wimmerte Ursula. «Aber für mich kann es die Hölle werden, wenn ich nicht weiß, was mir die Zukunft bringt.»
    «Die meisten Menschen wissen es nicht und leben doch.»
    Die Mutter legte Rosamund eine Hand auf die Schulter. «Nur einen Blick. Wirf nur einen einzigen Blick in dieHand deiner Schwester. Nur einen. Wir sind schließlich eine Familie.»
    Rosamund schöpfte tief Atem, dann nahm sie Ursulas Linke in ihre Hand und besah sie. Zuerst betrachtete sie die Lebenslinie, die sich um den Venusberg herum bis fast zum Ansatz des Zeigefingers zog. Die Linie war kräftig, weit gebeugt und umschloss einen großen Venusberg.
    «Nun, was ist?», drängelte das Urselchen.
    «Deine Lebenslinie zeigt, dass du ein leidenschaftliches Wesen bist. Du hast den Wunsch, alles, was Gott dir gibt, in vollen Zügen auszukosten.»
    Das Urselchen nickte begeistert, Rosamund fuhr fort: «Diese Linie zeigt aber auch, dass du recht eigensinnig bist und manchmal ein wenig launenhaft.»
    Jetzt lachte Lisbeth auf. «Na und, sie ist eine Frau, die weiß, was sie will. Nicht wahr, mein

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