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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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war in die Werkstatt geeilt. Einem Menschen musste sie sich anvertrauen. Allein war die Last nicht zu tragen.
    Dietrich, der Geselle, ihr schon immer treu ergeben, hörte ihr zu. Dann zog er das Laken von der Staffelei und sprach: «Was in Matteo vorgeht, das weiß ich nicht. Doch wenn der Medicus sagt, das Porträt müsse um jeden Preis fertig werden, so werden wir es malen.»
    Rosamund betrachtete es. «Die Umrisse sind fertig, die Aufteilung festgelegt. Selbst die Farben sind schon bestimmt.»
    «Ich kann sie anrühren», erklärte Dietrich. «Und ich kann die großen Flächen malen. Das Gesicht der Maria aber und ihr Haar, dazu reichen meine Fähigkeiten nicht. Das, Rosamund, musst du malen.»
    «Ich?»
    «Ja, du. Das Handwerk ist das eine, die Begabung das andere. Schon als Kind hast du gemalt und gezeichnet, hast alles so dargestellt, wie deine Augen es gesehen haben. Du musst es machen.»
    Rosamund hatte keine Zeit zum Zögern. Sie stellte sich wieder vor das Bild, betrachtete auch die Skizzen.
    «Ich muss sie sehen, die Maria Dittmann. Dann erst kann ich sie malen.»
    Und Rosamund wartete, bis es Sonntag wurde, und begab sich in den Dom, den die Dittmanns besuchten.
    Als sie das große Gewölbe betrat, hörte sie, wie hinter ihr getuschelt wurde. Rosamund wunderte sich, setzte sich ganz an den Rand, versteckt hinter einer Säule, und blickte auf die Dittmann. Sie merkte nicht, dass ein großer Teil der Gemeinde nach ihr schaute, sie beobachtete. Sie war ganz von der Ratsherrenfrau angezogen, achtete auf jede Regung in deren Gesicht, auf Ausdruck und Formen. Sie starrte auf den Mund, der stets in Bewegung war, sich nach vorn wölbte, die Winkel nach oben, als ob es eine Lust zu leben wäre. Hingerissen starrte Rosamund auf die Frau, die so gar nichts hatte von der Maria, die sie aus der Kirche und von den Benediktinern kannte. Kein Leid war zu sehen, keine schmerzliche Hingabe, sondern nur diese unbändige Lust am Leben. Maria, dem Leben zugewandt. So dachte Rosamund und bemerkte nicht, dass sie das Aufstehen und Hinknien, das Bekreuzigen und das Murmeln der gemeinsamen Gebete vergaß. Sie ging noch vor dem Segen, war angefüllt mit Bildern, war ja nur da gewesen, um zu schauen, und dieses Mal nicht, um den Herrn zu huldigen. Und halb Frankfurt hatte ihr dabei zugesehen und eigene Schlüsse gezogen.
    In der Werkstatt hieß sie Dietrich die Farben anrühren, trat vor der Leinwand von einem Bein auf das andere, setzte einmal dort den trockenen Pinsel an und einmal da, probierte sich am Strich, sah vor ihrem inneren Auge schon das gemalte Gesicht.
    Als die Farbe fertig war, hielt Rosamund inne, schloss die Augen. Dann tauchte sie den Pinsel ein und begann zu malen. Ganz langsam zog sie Strich für Strich, schloss immer wieder die Augen dabei, um nach der Dittmännin in ihrem Inneren zu sehen.
    Sie malte sehr langsam, legte hin und wieder Pausen ein, ging nach draußen, auf den Markt, um zu sehen, wie sich bei den Frauen der Hals faltete, wenn sie den Kopf zur Seite neigten.
    Sie hatte nichts anderes im Kopf, merkte nicht, dass eine Magd am Brunnen mit dem Finger auf sie zeigte und die anderen sich darauf bekreuzigten.
    Einmal rempelte sie gegen einen Auflader. Der ließ den Sack von seinem Rücken rutschen, wischte an seinem Ärmel herum, als klebte die Pest an Rosamund.
    «Was soll denn das?», herrschte sie ihn an. «Bin ich etwa eine Sieche?»
    Der Auflader schüttelte stumm den Kopf, starrte mit entsetzten Augen auf sie.
    Rosamund hastete weiter. Erst auf dem Markt hielt sie inne, stand einfach nur da und versuchte, die Frauen zu beobachten. Doch die Frauen wichen ihr aus, zogen einen weiten Bogen um sie, sodass sie die Halsfalten gar nicht sehen konnte. Einer lief Rosamund nach, die wurde schneller, begann schließlich zu rennen. Was haben die nur, dachte Rosamund.
    Als sie Hunger bekam, trat sie zu einem Käsestand. «Ein Viertelchen von dem da!», verlangte sie und legte ihren Finger auf eine Käserinde.
    Die Marktfrau riss die Augen auf, wie es der Auflader getan hatte. «Nehmt alles, gute Frau», winselte sie. «Nehmt den ganzen Laib. Es kostet Euch nichts, gar nichts. Nur kommt nicht mehr zu mir.»
    «Was redet Ihr da?», fragte Rosamund und sah an sich herab, ob da etwas war, was nicht hingehörte.
    «Nehmt, was Ihr tragen könnt. Nehmt meinetwegen noch von den anderen Käsen, nehmt auch Quark und Dickmilch, ich gebe Euch Butter und Eier auch.»
    «Was ist denn los mit Euch?», fragte Rosamund

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