Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Lidern quollen Tränen hervor.
Als Rosamund das sah, begann sie selbst zu weinen. Da herrschte Matteo sie an: «Greine nicht, Weib. Es war dein Hund, der mir die Hand zerbissen hat. Dein Hund. Nicht irgendeiner, sondern deiner.»
Rosamund riss die Augen auf. «Bommel?», fragte sie.
«Du nennst ihn Bommel, ich aber nenne ihn den Teufel.»
Dann drehte er den Kopf zur Wand und antwortete nicht mehr auf Rosamunds Fragen.
Hilflos setzte sich Rosamund neben ihren Mann. Sie strich sanft über seine Stirn, doch er antwortete mit einem Knurren und schob ihre Hand weg. «Was habe ich dir getan?», fragte sie. Und er antwortete: «Ich habe den Teufel gesehen. Den Teufel in einer vertrauten Gestalt. Er ist näher, als ich je gedacht habe.» Dann sah er Rosamund so vorwurfsvoll an, dass sie die Blicke niederschlug, als hätte sie ein Unrecht begangen.
Es dauerte nicht lange, da kam die Magd mit dem Medicus zurück. Rosamund hatte Dr. Böckler noch nie gesehen, sondern nur von seinen Künsten raunen hören. Doch jetzt schien ihr die Stimme bekannt vorzukommen, obwohl der Arzt kaum sprach.
Mit seiner und Dietrichs Hilfe gelangte Matteo ins Schlafzimmer. Dort wechselte der Arzt den Verband, nickte zufrieden, als er die Wunde sah.
Rosamund stand daneben, beide Fäuste auf den Mund gepresst. Erst jetzt wurde ihr gewahr, dass Matteo wohl nie wieder einen Pinsel würde halten können. Laut schluchzte sie auf.
«Seid still», herrschte der Arzt sie an. «Euer Geschrei ist ihm keine Hilfe. Sorgt gut für ihn. Ich komme morgen, um nach der Wunde zu sehen.»
«Wird er wieder?», fragte Rosamund.
«Was glaubt Ihr, Weib? Froh könnt Ihr sein, wenn er überlebt. Gesund wird er niemals wieder. Zwei Finger sind ganz ab, im Mittel- und Ringfinger sind die Knochen so zersplittert, dass keine Schiene hilft. Sie werden steif bleiben bis zu seinem letzten Tag.»
Bei diesen Worten maß der Medicus sie mit Blicken, dann sah der Arzt zu Ulla, die betend nahe der Tür stand. Rosamund verstand, und schickte die Magd nach draußen.
«Ich rate Euch, sprecht mit niemandem über das, was in der Nacht hier vorgefallen ist. Es ist in Eurem Sinne, wenn keiner weiß, dass der Eure ein Krüppel ist.»
Rosamund schluckte, sah mit tränenblinden Augen auf ihren Mann, der leise stöhnte und das Gesicht schon wieder abgewandt hatte.
«Wie soll ich verheimlichen, was geschehen ist?», fragte sie leise. «Er wird nie wieder malen können. Nein, das kann man nicht verschweigen.»
«Ihr müsst», sagte der Medicus. «Lasst Euch etwas einfallen wegen des Malens. Seht vor allem zu, dass das Porträt rechtzeitig fertig wird. Das Wichtigste ist jetzt, dass Ihr schweigt wie ein Grab. Lasst niemanden zu ihm. Nur ich darf ihn sehen, und vielleicht noch der Ratsherr Dittmann.»
«Warum?», fragte Rosamund, flüsterte so leise, dass sie ihr eigenes Wort kaum verstand. «Warum?»
«Es ist für Euch das Beste so. Vertraut mir und schweigt. Erzählt selbst der Magd nur, was sie unbedingt wissen muss.»
Rosamund nickte, der Arzt stand auf, warf noch einen letzten Blick auf Matteo und ging.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Wäre Rosamund kein Mensch gewesen, der den praktischen Dingen des Lebens zugewandt war, sie wäre verzweifelt.
Matteo lag noch immer, geplagt von inneren und äußeren Schmerzen, danieder und sprach nicht mehr mit ihr.
Wenn sie sich abends zu Bett legte, dann rutschte er ganz nahe an seine Bettkante, bemüht, ihr nicht zu nahe zu kommen oder sie gar zu berühren.
Dr. Böckler kam jeden zweiten Tag, um nach den Verbänden zu sehen. Einzig von ihm hörte sie Anerkennung ob der guten Pflege, die sie Matteo angedeihen ließ. Sie kochte ihm kräftigende Suppen, hatte sich von der Kräuterfrau Tränke besorgt, die die Heilung beschleunigen sollten, und Pulver, um die Schmerzen zu vermindern. Sie wusch Matteo jeden Tag, bürstete ihm das Haar, doch sie konnte nicht übersehen, dass er ihre Berührungen scheute.
Anfangs hatte sie wieder und wieder gefragt: «Was ist mit dir? Sag mir doch um Himmels willen, was mit dir ist. Warum weichst du mir aus?»
Aber eine Antwort erhielt sie nicht. Auch der Medicus schüttelte den Kopf. «Bedenkt», sagte er, «dass der Eurenicht mehr arbeiten kann. Was ist ein Mann ohne seine Arbeit? Kein Wunder, dass er zagt und zweifelt. Vielleicht heilt die Zeit auch diese Wunde. Das Wichtigste ist es jetzt aber zu schweigen und nach außen hin weiterzumachen, als ob nichts wäre.»
Und Rosamund hatte genickt und
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