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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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gelassen worden war, um zu verbluten.
    Schnell überprüfte sie, ob noch Leben in dem kleinen Körper vor ihr war. Er war noch warm, und das Herz schlug auch noch. Marike riss sich erleichtert Streifen vom Saum ihres langen Hemdes ab, mit denen sie dann die Schnitte an den Armen verband. Dann nahm sie die blutgefüllten Schalen fort und bettete Felix auf den Boden. Sie tätschelte ihm vorsichtig die Wangen.
    Die salbungsvolle Stimme des Bürgermeisters Wittik drang nun lauter zu ihr herüber, sodass sie Fetzen verstehen konnte. Offenbar wurde der Inhalt seiner Ansprache wichtiger und wichtiger. »... von einmaliger Eindruckskraft... jagt einem jeden aufrechten Christenmenschen einen Schrecken ins Herze... den Sündhaften aber mag gleichwohl der Schlag ereilen ob dieser Manifestation des Todes.«
    Marike begann vor Wut zu kochen. Dort draußen ließen sich diese Schafe von Mildtätigkeit und Gnade erzählen und lauschten auf die Einweihung eines Gemäldes, für das hier drinnen eine unschuldige Seele sterben sollte! Wieder schlug sie Felix leicht auf die Wangen. »Scht, Felix! Bitte, hör mich doch! Du musst aufwachen!« Ihr brach die Stimme. »Oh Gott, Felix! Bitte wach auf!« Was sollte sie nur tun? Was konnte sie tun außer beten? Und Marike betete, betete ohne Worte und ohne Verstand, doch sie betete. Immer wieder schüttelte oder tätschelte sie den Jungen, der so klein und zerbrechlich vor ihr lag. Endlich flatterten seine Augenlider leicht, und ein leises Stöhnen drang aus seiner Kehle.
    »Oh, Gott sei Dank!«, stieß sie leise aus und umarmte den Buben. »Danke, danke, danke! Felix! Hörst du mich?« Doch der Junge schien noch nicht richtig wach zu sein. Immerhin würde er nicht sterben. Seine Wunden würden heilen, und er würde sich erholen, das wusste sie bestimmt. Sie zog ihm vorsichtig den Splitter aus der Stirn und drückte ihm einen Kuss auf die Stelle. »Alles wird wieder gut«, hörte sie sich erstickt sagen. Doch selbst in ihren Ohren klang das wie eine leere Phrase.
    »An dieser Stelle«, hörte sie nun die vertraute Stimme ihres Vaters Johannes Pertzeval heiser durch das Kirchenschiff hallen, »sollten heute eigentlich zwei andere Männer stehen. Der eine ist der Kirchenvorsteher Nikolaus, der unserer Gemeinde so viel gegeben hat.« Marike stand auf und lauschte, während der Grimm in ihr wuchs. Es war eine Sache, die Beweise zu sehen, die ihren Vater verdammten. Doch auf sein blutiges Werk zu blicken, während er vor der Stadt seine unschuldigen Reden schwang...
    »Der andere ist Anton Oldesloe, ebenfalls Kirchenvorstand und Ratsherr unserer schönen Hansestadt. Beides«, Pertzeval unterbrach sich mit einem heftigen Hustenanfall, »beides bedeutende Männer, die wir vermissen werden.«
    Marike beugte sich nieder und nahm Felix vorsichtig auf die Arme. Der Bursche wog kaum mehr als eine Feder. Sie barg ihn an ihrer Brust, als sei er ein zerbrechliches Geschenk des Himmels. Dann drückte sie ihm einen Kuss auf den Scheitel. »Hab keine Angst, mein Engel«, flüsterte sie. »Wir beide machen dem ein Ende. Das verspreche ich.« Dann ging sie hinaus in das Kirchenschiff, in dem fast ganz Lübeck versammelt war.
     
    Johannes Pertzeval sah angespannt auf die Menge vor sich herab. Endlich, endlich kam sein Werk zur Vollendung. »Diese beiden Kirchenvorsteher, Domherr Nikolaus und Anton Oldesloe, haben das großartige Kunstwerk in Auftrag gegeben, das jeden, der unsere schöne Kirche besucht, an die Endlichkeit dieses sterblichen Lebens erinnert. An jene Macht, die uns schließlich vor Gottes Richterstuhl führt – den Tod.« Er unterbrach sich, denn ein Husten quälte seine Lunge. Einen Augenblick lang rang er nach Luft, um seine Rede fortzusetzen. »Denn alles Fleisch, es ist wie Gras«, zitierte er und wandte sich zu der riesigen astronomischen Uhr über dem Hochaltar um, »und alle Herrlichkeit wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen. Wir wollen daran denken, dass wir nur Sünder sind, die vor Gottes Thron Gerechtigkeit erfahren werden für das, was wir auf Erden getan.«
    Ein Murmeln und ein Raunen ging durch die Menge. Johannes Pertzeval sah auf und verstummte vor Schreck. Dort kam eine Gestalt, die in ihrer Schrecklichkeit geradewegs aus der Hölle gesprungen zu sein schien. Eine weiße Figur beschmiert mit rotem Blut und einem leblosen Bündel auf dem Arm. War dies ein Dämon der Hölle, gekommen, sie zu strafen?
    Doch als Johannes Pertzeval die Augen zusammenkniff

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