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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Tübinger Fakultät im Dorf aufgetaucht, um mit Muthlein im Haus des Schultes zu verschwinden, zusammen mit den Dorfältesten und dem Vogt. Seit Stunden nun schon wurde dort Inquisition gehalten. Am Ende, hieß es, werde man den jungen Pfarrer gewiss seines Amtes entheben oder zumindest strafversetzen.
    Der Ruf der Ofenmeisterin ließ Marie aus ihren Gedanken schrecken. Sie stellte sich in die Schlange und wartete, bis sie an der Reihe war. Wie erwartet, verstummten die Gespräche um sie herum. Umso lauter waren dafür plötzlich die aufgebrachten Rufe vom Dorfplatz her zu vernehmen. Mann um Mann versammelte sich dort, einige hämmerten gegen die Haustür des Schultes, andre warfen Kieselsteinchen gegen die Fenster.
    «Lasst Muthlein in Ruh», riefen die Männer. «Wir brauchenkeinen neuen Pfarrer. Und schon gar nicht so einen Hurenbock und Saufbold wie den letzten!»
    Im Haufen entdeckte Marie zu ihrem Erstaunen auch ihre beiden Vettern und ein paar wenige junge Frauen. Da ließ sie Brot Brot sein und rannte zum Dorfplatz. Lenz grinste sie an.
    «Kommst du deinen Geliebten holen?»
    «Halt’s Maul. Sag mir lieber, was du weißt.»
    Lenz zuckte die Schulter. «Bis jetzt ist noch nix entschieden. Aber ich sag dir – wenn der Pfaffe wegmuss, gibt’s hier einen zweiten Armen Conrad.»
    In diesem Moment sprang die Tür auf, und Muthlein trat heraus. Ein Blick auf sein erleichtertes Gesicht genügte, um die Männer in Jubel ausbrechen zu lassen.
     
    Der Dorfpfarrer hatte Glück gehabt: Er war mit einer Verwarnung davongekommen und dem feierlichen Schwur, sich künftig aufrührerischer Predigten zu enthalten. Darüber hinaus durfte er Schulstunden nur noch für Knaben abhalten.
    Obwohl Marie ein ganzer Felsbrocken vom Herzen fiel, traf Letzteres sie hart. Nun würde sie nur noch heimlich ins Pfarrhaus können, unter irgendwelchen Vorwänden. Zwar war sie im Lesen, Schreiben und Rechnen längst firmer als jedes andere weibliche Wesen im Dorf – aber mit wem sollte sie nun reden, so, wie sie und der Pfarrer es nach dem Unterricht immer noch ein Weilchen getan hatten?
    Casimir Muthlein war der einzige Mensch, dem sie sich in ihrer Angst um Vitus anvertrauen mochte. Seit Irmels Tod hatte sie keine Freundin mehr im Dorf, Nele war zu jung und ihr Ziehvater, den sie eigentlich immer recht gern gemocht hatte, blieb weiterhin spurlos verschwunden. Marie war sich sicher, dass er den Aufruhr genutzt hatte, um seinem bösartigen Weib auf immer den Rücken zu kehren.
    Als Mitte August ein heftiges Gewitter die Kornernte auf der Allmend unterbrach und alle unter dem nächsten Scheunendach Schutz suchten, rannte Marie durch den Sturzregen zurück ins Dorf, geradewegs zum Pfarrhaus. Nass bis auf die Haut klopfte sie gegen die Hintertür.
    «Nur herein», rief es von innen, und sie öffnete den Riegel. Casimir Muthlein stand am Fenster, im fahlen Zwielicht des Unwetters draußen, und hielt Nadel und Faden in der Hand. Marie erstarrte zur Salzsäule: Der Pfarrer trug lediglich ein kurzes Beinkleid!
    «Herrje, Marie! Ich dachte, der Schlosser wäre es. Verzeih meinen Aufzug, aber du siehst ja   –» Muthlein brach ab und deutete ebenso hilflos wie verlegen auf seinen Priesterrock, der quer über den Küchentisch gebreitet lag.
    «Es ist meine Schuld, dass ich einfach so hereingeschneit bin, Herr Pfarrer.» Sie musste sich zwingen, den Blick von seinem nackten Oberkörper zu wenden. Der war jungenhaft glatt und dennoch muskulös, dabei von so zarter heller Haut, wie sie nur Menschen hatten, die nicht im Freien arbeiteten.
    «Kann ich Euch vielleicht helfen?», stotterte sie.
    «Der Rock hat einen Riss, und ich stell mich nicht eben geschickt an in diesen Dingen. Aber du bist ja klatschnass! Warte, ich geb dir ein Tuch.»
    Er legte Nadel und Faden weg und zog aus einer Truhe ein zusammengefaltetes Leintuch. Ihre Hände berührten sich, als er es ihr reichte, und für einen Moment schien es, als wolle er ihr helfen, Gesicht und Haare zur trocknen. Doch dann wich er zurück an den Küchentisch und heftete den Blick wieder auf seinen Rock.
    «Es ist nur ein kleiner Riss», murmelte er.
    «Ja, das ist rasch erledigt.» Sie rückte sich einen Stuhl an den Tisch und machte sich schweigend an die Arbeit.
    «Hier. Jetzt könnt Ihr ihn wieder anziehen. Ihr solltet Euch wirklich nach einer Dienstmagd umsehen – damit Ihr eine Frau im Haus habt für solche Dinge. Ich meine   –»
    Herr im Himmel, was redete sie da? Sie starrte auf ihre

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