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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Fußspitzen, bis sie sicher war, dass Muthlein wieder gekleidet war, wie es sich schickte.
    «Recht vielen Dank, Marie. Vielleicht hast du recht.» Er setzte sich ihr gegenüber und schob ihr einen Becher Wein und ein Stück Brot hin. Gierig biss Marie hinein. «Es ist nur – ich mag keine fremde Frau im Haus. Die mir bei allem dreinredet und mich stört, wenn ich den Gottesdienst vorbereite. Ja, wenn es die eigene wäre. Jemand, der einem vertraut ist.»
    «Wie meint Ihr das?»
    «Nun – ich meine, es ist doch seltsam, dass ein Geistlicher keine Familie gründen darf. Was gibt es für den Menschen Wichtigeres, als seine Söhne und Töchter heranwachsen zu sehen?» Seine Augen glänzten wehmütig. «Eine Schar Kinder in die Welt zu setzen, Kinder wie meine Schulbuben – oder Töchter wie dich.»
    Marie wurde zunehmend unbehaglicher zumute.
    «Aber so etwas nur zu denken ist doch Sünde, für einen Pfarrer, meine ich.»
    Muthlein schüttelte den Kopf.
    «Nein, Marie, nicht vor Gott. Nur in den Augen der Kirche. Aber die Welt ist im Umbruch, neue Zeiten brechen an, mit Männern wie Melanchthon, den ich vom Studium kenne, oder Reuchlin oder Erasmus von Rotterdam. Diese neuen Zeiten lassen sich nicht aufhalten. Auch ihr Bauern habt das gespürt, und die Saat hierfür kommt aus Italien, wo die Gedanken viel freier sind als hier bei uns.»
    Neue Saat? Marie hatte das Gefühl, nicht einmal die Hälfte verstanden zu haben. Dennoch gefiel ihr, dass dieser jungePfarrer sie ernst nahm, mit ihr sprach wie mit seinesgleichen. «Aber legt Ihr als Pfarrer nicht das Zölibat ab, um dadurch umso inniger Gott zu dienen?»
    «Kann man Gott nur in der Enthaltsamkeit dienen? Und wenn dem so wäre, warum lassen sich dann so viele Geistliche nur allzu gern zu Ausschweifungen und Exzessen hinreißen, so wie auch mein Vorgänger hier in eurem Dorf? Warum dann», seine Wangen glühten nun, «reicht diese Verworfenheit sogar bis in den höchsten Klerus in der Heiligen Stadt Rom, über die jüngst ein Wittenberger Gelehrter gesagt hat, dort herrsche ein wahres Sodom und Gomorrha? Nein, Marie, diese Weiberlosigkeit kann nicht gottgewollt sein. Sie widerspricht der Natur des Menschen! Und ich bin überzeugt: Eines Tages wird auch ein Pfarrer den Bund der Ehe eingehen dürfen. Nur – ob ich das noch erlebe?»
    Wieder lag dieser merkwürdige Glanz in seinen Augen. Dann lachte er plötzlich.
    «Aber ich schwatze und schwatze, ohne dich zu fragen, warum du zu mir gekommen bist.»
    «Ich habe eine große Bitte an Euch, Herr Pfarrer! Könntet Ihr etwas über Vitus in Erfahrung bringen? Womöglich ist er immer noch gefangen.» Sie stockte. «Oder Schlimmeres.»
    Casimir Muthlein überlegte. «Ich kenne den Stadtpfarrer zu Waiblingen recht gut, und Schorndorf ist nicht allzu weit von dort entfernt. Er könnte Erkundigungen über die Gefangenen einziehen. Jetzt lass den Kopf nicht hängen, Marie. Gleich nachher werde ich ihm schreiben, und dann werden wir bald mehr wissen.»
    Indessen musste der Pfarrer gar keinen Boten nach Waiblingen schicken, denn am selben Abend noch kehrte der alte Schladerer mit seinen Söhnen zurück. Unter Jubel und Geschrei lief das ganze Dorf unter der Linde zusammen. Gegenteures Geld hatte Hans Schladerer tatsächlich alle drei Söhne nach und nach freikaufen können. Damit waren auch die Letzten der Aufständischen wieder zu Hause – bis auf Utz.
    Als sich der Freudentaumel gelegt hatte, drängte Marie an die Seite von Marx Schladerer. Er war es gewesen, der sie damals zu Vitus an den Waldrand geführt hatte.
    «War Vitus Beck aus Beutelsbach auch unter den Gefangenen?»
    Marx grinste. «Der von deinem heimlichen Stelldichein? Hängst du immer noch an dem Kerl? Schade eigentlich.» Er tätschelte ihre Wange. «Du könntest mir nämlich gefallen.»
    Sie schlug seine Hand weg. «Jetzt sag schon.»
    «Gesehen hab ich ihn nicht. Weiß nur, dass er außer Landes verwiesen wurde.»
    Marie wurde heiß und kalt zugleich. «Außer Landes? Was heißt das? Wo ist er jetzt?»
    Marx zuckte die Schultern. «Weiß ich’s? Söldner haben die Verbannten weggebracht, irgendwo wird er schon sein. Bei ihm ging der Landesverweis, glaub ich, auf drei Jahre.»
     
    «Für Euch.» Marie drückte der Häcklerin den Korb mit den herrlich duftenden Wiesenkräutern in die Arme. «Ich hoffe, Ihr könnt sie brauchen.»
    «Dank dir. Ich nehme an, du willst was von mir. Hab ich recht?»
    «Ja, Gevatterin. Ich – ich brauch Eure Hilfe. Man sagt, Ihr

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