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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Osten, in den lauen Sommerabend hinein, in die unbekannte Fremde. Was würde ihn dort erwarten? Es war weniger Angst als vielmehr eine abgrundtiefe Schwermut, die ihn bei seinem Blick zurück auf die Mauern der Stadt Schorndorf erfasste.
    Wer war nun besser dran: Enderlin mit seinem Mal auf der Stirn, das ihn auf immer kennzeichnete und ehrlos machte, oder er selbst in seiner jahrelangen Verbannung? Ob seine Marie noch einmal so lange Zeit auf ihn warten würde? Das Verlöbnis mit Hedwig hatte hiermit jedenfalls wohl sein Ende gefunden. Unwillkürlich tastete er nach den Geldmünzen. Er würde, sobald sie in Gmünd waren, einen Stadtschreiber aufsuchen und eine Nachricht an Marie schicken. Sie musste wissen, dass er in drei Jahren spätestens zu ihr zurückkehren würde, und zwar ohne Umwege direkt aus der Verbannung. Dieser junge Pfarrer würde sie sicher trauen, auch ohne den Segen seines Vaters.
    Das Letzte, was Vitus beim Zurückblicken sah, waren zwei Männer, die sich weit aus dem Fenster des östlichen Torturms lehnten und etwas Rundes auf die Fahnenstange spießten.
     
    So ertrank denn nach nur drei Monaten der Aufstand der Bauern im Blut ihrer Anführer. Allein in Schorndorf waren acht Männer enthauptet, an die fünfzig des Landes verwiesen, etlichen hohe Geldstrafen auferlegt und nicht selten noch dazu die Häuser geplündert worden. Hart trafen die Bauern das Wirtshausverbot und die Strafe der Entwaffnung, denn das eine gehörte zum Alltag, das andre seit alters zu ihrem Stolz.
    Gleich nach dem Schorndorfer Blutgericht waren die Verhandlungen auf dem Stuttgarter Marktplatz fortgesetzt worden, mit sechs weiteren Hinrichtungen. Auch hier ließ der Herzog zwei Köpfe auf Stangen spießen und am Oberen Tor zur Schau stellen. Danach zog er weiter in seinem Rachedurst, um Recht vor Gnade geltend zu machen, während seine Söldner in den Städten und Dörfern, wo die Gefängnisse überfüllt waren, übel hausten. Tausende Männer waren inzwischen geflohen, ihre Familien unversorgt zurücklassend, in die nahen Reichsstädte zunächst, dann, als die Auslieferung drohte, zu den Eidgenossen – so der Bregenzer und der Gaispeter, die in absentia zum Tode verurteilt wurden.
    Der Arme Conrad war endgültig niedergeworfen, und der Sieger erhielt beim Volk einen neuen Titel: Ulrich, Herzog und Henker von Wirtemberg.

20
    Marie hockte auf einem Stein beim Backhaus und wartete darauf, ihr Brot mit nach Hause nehmen zu können. Sie hielt sich fern vom Klatsch und Gelächter der anderen Frauen, zumal sie wusste, dass dies ohnehin verstummen würde, käme sie nur in deren Nähe. Dabei hätte sie heute alles drum gegeben, mehr über das Schicksal des Pfarrers zu erfahren. Zwar konnte sich Marie wieder frei bewegen, dafür behandelten sie die meisten Dorfweiber seit jenem Zwischenfall wie eine Aussätzige.
    Einen Tag und eine Nacht hatte sie damals in Ketten verbracht, bis schließlich am frühen Morgen Pfarrer Muthlein in ihre Hütte gestürmt war, so aufgebracht, wie sie ihn nie zuvor erlebt hatte. Beinahe hätte er sogar die Hand gegen Berthe erhoben, er beließ es dann aber bei der Drohung, sie vors Dorfgericht zu bringen, wenn sie Marie nicht augenblicklich losmache. Berthe hatte ihm nur ins Gesicht gelacht und war dann aufs Feld hinaus, von wo sie dann zu Mittag tatsächlich vom Büttel geholt und zur Linde geschleppt worden war.
    Das Dorfgericht hatte die Muhme zur Begleichung eines Kleinen Frevels in Höhe von einem Gulden und zwanzigKreuzern verurteilt. Seither war Marie zwar wieder frei, dafür aber umso mehr Berthes Anfeindungen ausgesetzt. Schlimmer noch: Auch ein Großteil der alten Dorfweiber mied sie fortan, als habe sie, Marie, Dreck am Stecken und nicht ihre Muhme. Bald schon erfuhr sie auch den Grund. Marie habe, so wussten es böse Zungen zu berichten, mit ihren Besuchen im Pfarrhaus das Blut des jungen Pfarrers in Wallung gebracht, nur deshalb habe der sich so heftig beim Dorfrat für sie eingesetzt. Von der Häcklerin hatte sie das erfahren, blutrot angelaufen war sie, als sie es hörte.
    «Niemals hat er sich mir unbotmäßig gezeigt, glaubt mir.»
    «Mag sein. Die alte Berthe war schon immer eine Meisterin in der Gerüchteküche. Nur wird es der Pfaffe beim Schultes jetzt noch schwerer haben, wo er schon mit seinen vorwitzigen Predigten die Obrigkeit gegen sich aufgebracht hat.»
    Tatsächlich war Muthlein bald darauf vor den Böblinger Vogt zitiert worden, und heute Morgen war ein Visitator der

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