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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dürfen. Die weite Reise, die Aufregungen der Hochzeit, auch die immerhin drei Tage währenden Festlichkeiten in Heidelberg – all das habe sie restlos erschöpft. Was nicht einmal gelogen war. In ihrem Magen rumorte es, ihr schwirrte der Kopf, der heftig zu schmerzen begann. Dabei lagen noch etliche Festtage vor ihr, und sie selbst war nun die Gastgeberin, auf die aller Augen gerichtet waren, würde im Mittelpunkt zahlreicher Empfänge stehen, würde von Gästen und Hofstaat gleichermaßen in ihrem Auftreten beurteilt werden. Die Zeit der Freiheit war vorbei.
    Doctor Reuchlin besaß die Freundlichkeit, sie ein weiteres Stockwerk hinauf ins Frauenzimmer zu führen. Zu müde fühlte sie sich, um ihr Gemach, ihr neues Zuhause, auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie war nur froh, dass das Gesinde ihre Kisten, Koffer und Truhen bereits hergeschleppt hatte. Reuchlin wünschte ihr eine sorglose Nacht und gute Besserung, dann überließ er sie der Kammerfrau, die sie auf einer Bank im Gang aus dem Schlaf geschreckt hatten. Die half ihr in Nachtgewand und Pantoffeln, brachte sie auch in das eheliche Schlafgemach, das sich gleich neben ihrem eigenen Gemach befand und kalt, leer und dunkel auf die Brautleute wartete.
    Sabina löschte die Lampe und versuchte einzuschlafen. Vergeblich. Zusammengekrümmt lag sie auf dem Prachtbett und starrte in die Dunkelheit. Sie lauschte auf jeden Schritt.
    Doch Ulrich kam nicht.

4
    Auch während der folgenden Nächte blieb Herzog Ulrich dem ehelichen Lager fern. Dabei zeigte er keinerlei Anzeichen von Verärgerung mehr oder von Ablehnung; er verhielt sich Sabina gegenüber vielmehr höflich und zuvorkommend. Mit ausgiebigen Trink- und Essgelagen, mit Gottesdiensten und Hofkonzerten, Ritterspielen und Tanzveranstaltungen nahmen die Feierlichkeiten ihren Gang   – Feierlichkeiten, die Sabina kaum Luft zum Atemholen ließen, geschweige denn Zeit zum Nachdenken.
    Am Tage nach der kirchlichen Trauung war ihr, wie es sich für ein fürstliches Beilager ziemte, in Pomp und Ehren dieMorgengabe überreicht worden. Zu erschreckend früher Stunde hatten drei Kammerjungfern sie aus dem Schlaf gerissen, in aller Eile frisiert und angekleidet, als auch schon die feierliche Abordnung im Ehegemach erschienen war – und wenn sich einer der edlen Herren darüber wunderte, dass Ulrich nicht neben ihr am Bettrand saß, sondern aus seiner eigenen Schlafkammer ein Stockwerk tiefer geholt werden musste, so zeigte er es zumindest nicht.
    Zuvorderst standen ihre drei Brüder, der jüngste, Ernstl, mit noch ungekämmtem Haar, Herzog Wilhelm bleich und übermüdet, und forderten ihren Schwager auf, die Morgengabe an ihre Schwester zu präsentieren. Ein Page nach dem anderen erschien daraufhin mit blutroten Damastkissen, auf denen Armreife, Edelsteine und Goldketten im Schein der Lichter schimmerten. Jedes Schmuckstück nahm Sabina mit einem Kniefall entgegen, während ihr Gemahl ungerührt daneben stand. Heute trug er ein veilchenblaues Gewand, weitaus prächtiger als das ihre, mit einem bodenlangen Seidenumhang darüber. Sowohl der schwarze breitkrempige Hut mit Straußenfeder wie auch die Borten von Kleid und Umhang waren mit Edelsteinen bestickt. Die Anstrengung des gestrigen Tages war ihm nicht anzumerken; fast mädchenhaft zart und rosig schimmerte seine Gesichtshaut, und der Blick war in die Ferne gerichtet, gerade so, als hätten diese Präsente nicht ihr gegolten, sondern einer anderen Frau.
    Ulrich riss sie aus ihren Betrachtungen, als er ihr ein Schriftstück reichte, in dem er ihr die Ämter Winnenden und Waiblingen als Wittum zuwies. Im Gegenzug dazu, ganz gemäß ihrer Heiratsabrede, musste Sabina im Namen Gottes und kraft ihrer Signatur unter den Verzichtsbrief geloben, dass sie dem Herren und Lande zu Wirtemberg auf immerangehören wolle und auf jegliches Erbe in Baiern verzichte. Als ihr Lieblingsbruder Ludwig ihr hierzu die Feder reichte, zwinkerte er ihr zu. Es war, als wolle er sagen: Nimm es nicht so schwer – uns Brüder verlierst du damit nicht.
    Die Zinkenisten bliesen auf, und der Zug setzte sich in Marsch, sie selbst mit Ulrich vorneweg. In der Eingangshalle gesellte sich zu ihnen, wer schon auf den Beinen war, und unter dem glockenhellen Gesang der jüngsten Tübinger Schulknaben schritten sie hinüber zur Stiftskirche, wo der Konstanzer Bischof das Hochamt hielt. Irgendwann während des Kyrie nahm Ulrich ihre Hand, drückte sie fest und flüsterte: «Jetzt sind wir Mann und

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