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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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zusammen mit Polina diesen Max besuchen, um ihn genau auszufragen. Wenn er lügt, merke ich das todsicher. Und wenn nicht … Wenn ich nur noch drei Tage hätte …
    Gott erhörte ihn nicht.
     
     
    Sergej erhob sich vorsichtig, um den leichten Schlaf seiner Frau nicht zu stören, trat ans Bett seines schlafenden Sohnes und betrachtete einige Minuten reglos dessen zerzausten Schopf.
    Wusste er, was mit seinen Eltern geschah? Erriet er es? Der arme Junge … Bei wem konnte er bleiben, wenn sie beide gehen mussten?
    Denis schlief. Er schlief immer leicht ein und wachte ebenso leicht wieder auf. Heute begegnete er im Traum nicht dem Mädchen mit den Sommersprossen, das er schon als gute Bekannte empfand. Anstelle der leeren Zimmer und
Flure mit den grauen Wänden, in denen er manchmal herumirrte und die ihm solche Angst einjagten, traten eine Reihe schnell wechselnder Episoden und schließlich einfach nur unsinnige bunte Kreise … Zuerst ist er mit seinem Vater und zwei weiteren, unbekannten Männern unterwegs; alle vier sind mit Strahlenschutzanzügen mit Kapuzen und Sauerstoffmasken ausgerüstet. Er weiß nicht, wohin sie gehen, aber sie bewegen sich nicht unter der Erde, sondern auf der Oberfläche und versinken bis zu den Knien in weichem, trockenem Schnee …
    Dann plötzlich verschlägt es ihn an einen anderen Ort, und er sieht mit fremden Augen eine helle, sommerliche Welt. Es ist ein heißer Tag; er überquert einen Hof in Richtung eines großen Ziegelgebäudes. Zwei Hunde strecken sich auf dem Gras im Schatten der Bäume aus – sie hecheln, und ihre Seiten heben und senken sich schnell von der Hitze. Sonst ist weit und breit kein Lebewesen zu sehen. Denis – oder jener andere Mensch, mit dessen Augen er die Welt sieht – tritt auf das Gebäude zu, das plötzlich zu einem rötlichen Fleck verschwimmt … Und dann findet Denis sich auf einmal auf den Stufen wieder, die abwärts zu einem großen, gusseisernen Tor führen. Neben ihm geht ein kräftiger Mann im Schutzanzug und Helm und stützt seinen Vater. Papa ist verletzt oder krank. Und plötzlich taucht eine bedrohliche Gestalt mit einem Gewehr vor ihnen auf. Der Fremde fragt: »Wer seid ihr?! Woher kommt ihr?!«
    Mama, will Denis fragen, wo sind wir?
    Dann wacht er auf.
    »Pjotr Saweljewitsch fühlt sich nicht wohl«, erklärte Arkadi Borissowitsch mit einem aufgesetzten Seufzer. »Ich vertrete ihn.«
    »Ich muss … zur Metro.« Sergej blickte ihm in die Augen. »Nach Moskau. Dringend.«
    »Du liebe Güte! Aber du wolltest doch jetzt mit deiner Volkszählung anfangen! Wie lange hast du uns deshalb bearbeitet? Wie lange erzählst den Leuten schon davon? Die Leute warten, du musst nur noch loslegen! Und jetzt willst du nach Moskau …« Arkadi Borissowitsch lächelte ihn hinterhältig an.
    »Verstehst du denn nicht?« Sergej spürte, wie ein wölfischer Hass in ihm aufstieg und sich ihm die Haare auf den Armen aufstellten. »Ich muss einfach! Meine Frau braucht das Medikament.«
    »Ich werde dir mal was sagen.« Das Lächeln war jetzt wie fortgewischt aus dem Gesicht des Bankiers. »Der Rat wird es dir nicht erlauben. Du kannst aufbrechen, sobald du diese Zählung beendet hast, mit der du uns jahrelang in den Ohren gelegen bist. Von mir aus kannst du gehen, wohin du willst. Aber außer dir wird keiner diese Volkszählung durchführen. Wenn du ohne Erlaubnis gehst, lassen wir dich nicht wieder rein.«
    »Ist gut.« Sergej gab nach. »Ich erledige die Volkszählung, und dann bin ich weg.«
     
    Sergej kannte viele Bewohner der Kolonie schon seit langem und von verschiedenen Seiten. Er kannte ihre Lebensgeschichten genau, aber die Situation und seine Aufgabe in dieser Situation zwangen ihn, Fragen zu stellen und sich
die Antworten und auch die Geschichten noch einmal anzuhören, die er an jedem beliebigen Punkt der Erzählung selbst hätte weiterspinnen können.
    Sina, die im Alter von zwei Jahren in die Kolonie gekommen war und sich nicht mehr an das Leben vor der Katastrophe erinnern konnte, hatte in den vergangenen zwanzig Jahren gelernt, besonders schnell und fehlerfrei zu schreiben. Sie würde die Antworten mitstenografieren. Sina gehörte dem winzigen Komitee für soziale Angelegenheiten an, dem Sergej vorsaß, und war insgeheim in ihren Chef verliebt. Das Komitee bestand insgesamt nur aus drei Personen: Sergej, Sina und Nina Petrowna. Im Übrigen brachte ihnen ihr Engagement nicht die geringste Befreiung von anderen Arbeiten ein, sondern war rein

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