Dschungel der Leidenschaft
PROLOG
Nickys Hand zitterte leicht, als sie nach dem Telefon auf dem Schreibtisch ihres Vaters griff und die Tasse mit dem starken schwarzen Kaffee beiseite schob, die der Bedienstete ihr gebracht hatte.
Sie wählte die Nummer und hörte das leise Tuten. Klopfenden Herzens blickte
Nicky aus dem Fenster auf die Palmen, das hohe Minarett der Moschee, das sich gegen den kobaltblauen Himmel Marokkos abzeichnete.
Endlich meldete sich eine Hotelangestellte auf englisch mit einem leichten Akzent.
Ihre Stimme war so deutlich zu hören, als käme sie von nebenan, statt aus Manila, der Hauptstadt der Philippinen.
Nicky schloss die Augen und wappnete sich. „Ich möchte gern mit Mr. Brian
Chandler sprechen. Die Zimmernummer kenne ich nicht."
„Einen Moment, bitte."
Gleich darauf meldete sich die dunkle Stimme, die Nicky so liebte ... die Stimme ihres Mannes.
Ihr Herz begann zu rasen. „Brian, ich bin's, Nicky."
„Nicky?" Er klang überrascht. „Schön, dass du anrufst. Ich wollte mich auch bei dir melden. Wie geht es dir?"
Sie atmete tief ein. „Gut."
Es geht mir überhaupt nicht gut, dachte sie. Ich habe Angst, Brian. Schreckliche Angst.
„Und deiner Mutter?"
„Sie fühlt sich schon viel besser."
Nicky war bei ihren Eltern in Marokko, weil ihre Mutter krank geworden war. Ihr Vater arbeitete bei der amerikanischen Agentur für Internationale Entwicklung, und das Paar lebte seit einem Jahr in Marrakesch.
Nicky zwang sich, den Telefonhörer lockerer zu halten. „Warum wolltest du mich anrufen?" fragte sie. Bitte sag mir, dass du mich vermisst, fügte sie in Gedanken hinzu. Sag, dass du mich liebst und es nicht erwarten kannst, bis wir wieder zusammen sind.
„Bei dem Projekt hat sich ein Problem ergeben", erwiderte Brian statt dessen.
„Es wird etwa zwei Tage dauern, um es zu beheben. Ich fliege deshalb erst zwei Tage später heim. Am Samstag. Mit der gleichen Maschine."
Nicky schluckte vor Enttäuschung. Sie hatte etwas anderes hören wollen. „Ach
so. Meine Pläne haben sich übrigens auch geändert." Sie gab sich Mühe, sachlich zu sprechen. „Auf dem Rückweg in die Staaten werde ich Sophie in Rom besuchen. Sie erwartet das Baby, und ich ... glaube, es wird ihr guttun, mich um sich zu haben."
„Wie lange wirst du dort bleiben?" Brians Stimme klang ausdruckslos.
Nicky kämpfte mit sich. Nächste Woche kam Brian heim, und dann hatte sie
ursprünglich auch wieder in Washington D.C. sein wollen. Sie schloss die Augen und gab sich einen Ruck. „Drei Wochen", erwiderte sie und spürte, wie eine kalte Hand sich um ihr Herz legte.
Kurzes Schweigen. „Dann werden wir uns nicht sehen", stellte Brian fest. „Du kommst erst nach Hause, wenn ich schon wieder in Guatemala bin."
Nickys Hände flatterten plötzlich, und sie packte den Hörer fester. „Ja. Macht dir das etwas aus?"
Fast drei Monate hatten sie sich nicht mehr gesehen. Wenn sie nächste Woche nicht direkt heimflog, würden sie einen weiteren Monat getrennt sein, bis Brian von seinem Beraterauftrag in Guatemala zurückkehrte.
„Du musst dich um deine Freunde kümmern", erklärte Brian. „Ich komme schon zurecht."
Nicky war, als müsste sie ersticken. Es ist ihm gleichgültig, dachte sie
verzweifelt. Es stört ihn ebensowenig wie beim letzten Mal. Was hatte er da gesagt?
„Wenn deine Mutter dich braucht, musst du natürlich bleiben."
Das war vor fünf Wochen gewesen, als sie Brian angerufen und ihm mitgeteilt hatte, nach seiner Rückkehr von seiner Geschäftsreise nicht zu Hause zu sein, weil es ihrer Mutter immer noch nicht gutgehe.
Die Viruserkrankung ihrer Mutter war nicht gefährlich gewesen, sie brauchte jetzt einfach nur Zeit, um sich auszukurieren.
Insofern hätte Nicky ruhig nach Washington zurückfliegen und bei ihrem Mann
sein können, während er daheim war und sich auf seine nächste Beratertätigkeit im Ausland vorbereitete. Nicky hätte für ihn kochen, in seinen Annen schlafen, ihn lieben und mit ihm Zukunftspläne schmieden können.
Statt dessen hatte sie beschlossen, bei ihren Eltern in Marokko zu bleiben, und Brian hatte nichts dagegen gehabt. Er hatte nicht gesagt, dass es ihm etwas ausmache, dass sie ihm fehlen werde und das Haus ohne sie leer sei.
Und selbst jetzt, nach drei Monaten Trennung, hatte Brian nichts dergleichen
erwähnt. Er hatte ihr lediglich versichert, ohne sie zurechtzukommen, während sie ihre Freundin Sophie in Rom besuche.
Natürlich kam er ohne sie zurecht. Das hatte er all die
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