Das mechanische Herz
ganzen Winter Zeit, sich darüber zu beklagen.“ Cristof schien die Aussicht wenig auszumachen. „Aber nicht heute. Ah, da ist es ja.“ Er zog ein Schächtelchen hervor und reichte es ihr. „Das habe ich deine Familie nicht einpacken lassen.“
„Was ist das?“ Die Schachtel war schwer. Taya hielt sie sich ans Ohr und musste lächeln, als sie es darin ticken hörte. „Ist das für mich?“
„Die Botin des Botschafters braucht einen eigenen Chronometer, oder siehst du das anders?“
„Aber ich benutze Euren so gern!“, protestierte sie, was sie aber nicht daran hinderte, aufgeregt den Deckel der Schachtel zu lüften.
Ihr Lächeln wurde breiter, als sie den Chronometer aus der Verpackung nahm. Cristof hatte nicht versucht, ihr etwas Kleines, Zierliches zu basteln: Tayas Chronometer war wie die, die er für sich und seinen Bruder gebaut hatte. Er lag gut und schwer in der Hand, vermittelte ein Gefühl von Zuverlässigkeit. Ein Chronometer, bei dem Taya keine Angst haben musste, er könne Schaden nehmen, wenn man ihn in die Tasche eines ledernen Fluganzugs schob. Im Gegenteil: Wie um zu betonen, dass er beim Fliegen getragen werden sollte, war das rotgoldene Gehäuse mit einem Fittich im Aufschwung verziert.
„Wie wunderschön!“, rief Taya entzückt.
„Ich hätte für dich gern ein Gehäuse aus Ondium gehabt, aber es ließ sich einfach nicht genug beschaffen“, sagte Cristof entschuldigend. „Rotgold ist nicht so wertvoll, aber ...“
„Es ist viel hübscher.“
„Ich dachte ... die Farbe hat mich an dein Haar erinnert.“ Cristof klang richtig gehetzt. Taya warf ihm einen amüsierten Blick zu und klappte das Gehäuse auf.
„Oh!“ Um das Zifferblatt herum zog sich ein schmaler Goldring, auf dem die Stunden markiert waren. In diesen war eine Scheibe aus durchsichtigem Glas eingelassen, durch die hindurch man das gesamte Innenleben der Uhr bewundern konnte: die geölte Hauptfeder, die winzigen Zahnräder, der Dorn, der die Zeiger festhielt, die winzigen Platten und Schrauben, von denen alles zusammengehalten wurde, und in eine dieser Platten war direkt unter den Zeigern ein kleiner, herzförmiger Rubin eingelassen.
„Oh – Cris!“ Taya spürte einen Kloß im Hals.
„Der Name von Alisters Programm – das war ein alter Witz zwischen uns beiden. Alister pflegte zu sagen, das sei alles, was in meiner Brust schlüge. Ein mechanisches Herz. Nichts als Vernunft und Weitblick.“ Jetzt war ihm die Aufgeregtheit noch eindeutiger anzuhören. „Also dachte ich, ich schenke es dir. Das Herz. Du weißt schon. Aber wenn es dir nicht gefällt – dann mache ich dir ein anderes Zifferblatt, ein normales. Gib mir den Chronometer einfach wieder, und ich ersetze es noch heute nacht.“
Taya lehnte sich an seine Brust, sah den Zahnrädern zu, die sich unter dem Glas drehten, den goldenen Minutenzeiger langsam weiterdrängten. Dann schloss sie den Chronometer, drückte das Gehäuse an ihre Lippen, spürte das vibrierende Ticken. „Was hast du denn erwartet?“, fragte sie sich halb belustigt, halb verzweifelt. „Typisch Cris – eine so rührende, so schmerzhaft unbeholfene und ernsthafte Geste!“
„Er ist perfekt!“, sagte sie schließlich, und das meinte sie auch so, aus ganzem Herzen.
„Gut.“ Er klang beruhigt. „Du – du hast dir den Uhranhänger noch gar nicht angesehen.“
Taya ließ die Kette durch ihre Finger gleiten. Ein goldener Ring baumelte an dem winzigen Verschluss.
Erstaunt hob Taya den Kopf und verrenkte den Hals, bis sie Cristof ins Gesicht sehen konnte. Der räusperte sich verlegen, während die Kutsche rumpelnd und klappernd über das Kopfsteinpflaster zockelte.
„Ich weiß, was du jetzt denkst: Ehen zwischen verschiedenen Kasten sind zum Scheitern verurteilt. Aber Lass uns die Sache logisch betrachten: Da du eine Ikarierin bist und ich eigentlich gar keiner Kaste angehöre ...“
Taya schlang ihm die Arme um den Hals und brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen, der ihm fast die Brille von der Nase befördert hätte, und eine ganze Zeitlang schien es, als gäbe der Chronometer in ihrer Hand den perfekten Takt für den Gleichklang ihrer Herzen an.
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