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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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die Frontscheibe. Benjamin umklammerte den Haltegriff über der Tür. Am Horizont flogen die Lichter der Autos auf der Landstraße vorbei. Beide dachten sie dasselbe. Bloß nicht anschauen. Lange hielten sie es nicht aus. Dann passierte es einfach. Im selben Moment drehten sie sich zueinander um.
    »Warum machen wir das? Diese Fahrt ans Meer?«, fing sie an.
    »Ich weiß nicht, warum du dabei bist, aber ich … wollte einfach irgendwas tun.«
    »Und was?«, fragte sie ungläubig.
    »Seit das … passiert ist, kommt mir alles so sinnlos vor. Ich denk immer, ich muss was total Wichtiges machen, weil ich sonst etwas im Leben verpasse, weil es sonst immer so belanglos bleibt. Aber ich hab keine Ahnung, was das sein soll. Verstehst du, was ich meine?«
    Sie nickte stumm. »Vielleicht«, gab sie sich erneut distanziert. Dann aber sprach sie aus, was ihr auf der Seele brannte: »Glaubst du daran, dass alles wieder normal werden kann? Ich meine …« Sie zögerte kurz, ehe sie aufgab und einfach die erstbesten Worte griff. »Ich meine … war es denn überhaupt jemals normal? Ich erinnere mich nicht daran. Es ist alles so unwirklich.« Benjamin fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, ehe er etwas erwiderte.
    » Ich wünschte, all das wäre nicht passiert, aber … ich sehne mich nicht danach zurück, wie es vorher war. Es macht mir irgendwie Angst, daran zu denken. Schon komisch. Ergibt wahrscheinlich keinen Sinn«, gab er zurück und schüttelte versonnen den Kopf. »Findest du nicht?« Jetzt erst wandte er sich wieder ihr zu.
    »Es bleibt, wie es ist, schätze ich.«
    »Ist denn alles schlecht?«, fragte er und rümpfte nachdenklich die Lippen. »Ich glaube nicht alles, oder?«
    » Nein, nicht alles.« Plopp. Das war der Wein. Sie sa h ihn im Augenwinkel einen großen Schluck nehmen.
    »Willst du auch?«
    Sie dachte nicht lange nach, sondern griff nach der Flasche. So ging es eine Zeit lang. Bis sie nicht mehr dachten, sondern nur den Wein hin- und herreichten. Die Flasche wurde mit jeder Runde leichter. Irgendwann bemühten sie sich nicht mehr, dem anderen auszuweichen. Kurz berührte sie ihn und zog ihre Hand sogleich zurück, um sie dann doch wieder auf seine zu legen. Es fühlte sich nicht falsch an.
    Ein Klopfen ließ beide zusammenschrecken. Rasch lösten sie sich voneinander. Es war Finn, der seine Nase an die Scheibe drückte. »Hey«, dröhnte es dumpf durch das Glas.
    Benjamin ließ das Fenster herunter. »Was geht?«, fragte er betont gelassen.
    »Was habt ihr da?« Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Flasche. Hastig hielt Benjamin sie ihm hin. »Hier, trink auch einen Schluck.«
    Ein müdes Grinsen legte sich auf Finns Gesicht. Er nahm das Angebot an.
    »Kippen?« Er hielt ihnen die offene Schachtel hin. Sie bedienten sich beide und stiegen aus. Zu dritt fanden sie einen kleinen Platz am Hang, wo sie sich niederließen. Die Glut der Zigaretten glomm in der Nacht und erhellte gemeinsam mit dem fahlen Mondschein ihre Gesichter.
    »War jemand von euch noch einmal an seinem Grab?«, fragte Finn zwischen zwei Eulenrufen.
    Sie schüttelten beide den Kopf. »Ich auch nicht«, sprach er weiter, ohne dass er ihre Antwort gesehen haben konnte.
    »Ich hab mir auf dem Weg zur Tanke überlegt, dass wir zusammen hingehen könnten, wenn wir wieder zurück sind.«
    »Klar«, stimmte Benjamin ihm zu und sah Emma an, die nicht ein Mal an ihrer Zigarette gezogen hatte. Sie beobachtete nur die Funken, und gerade, als sie seinen Blick bemerkte, pustete sie, sodass die weiße Asche zerstäubte und nach einem Tanz in der Nacht langsam zu Boden rieselte.
    »Ich geh schlafen«, erinnerte Finn sie daran, dass sie nicht alleine waren. Er schnippte seine Kippe in den Busch und erhob sich unter dem lauten Knacken der Äste.
    »Gute Nacht«, verabschiedete Benjamin ihn. Finn hatte das Zelt schon fast erreicht. Seine Silhouette winkte, dann zog er den Reißverschluss hinter sich zu.
    »Er war ein verdammt guter Kumpel«, fing Benjamin an, nachdem sie eine Weile lang nur stumm dem Wald gelauscht hatten. »Er gehörte einfach zu den besten. Zu denen, auf die du zählen kannst, wenn’s drauf ankommt.« Die Worte kamen ihm nur langsam über die Lippen, die von dem Wein trocken waren. »Er konnte wirklich an so etwas wie Ideale glauben, das können nicht viele. Du … du hast ihm echt viel bedeutet. Es gab einfach Dinge, die waren ihm wirklich wichtig.« Benjamin atmete tief ein. »Ich glaube manchmal, ich hätte es sein sollen.« Sie

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