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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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helfen, bloß: Wie sollte ich ihr das vermitteln, solange sie mich für eine verirrte Touristin hielt?
    Die Schwingtür sprang auf, brachte die Gläser auf einem der
Bretter an der Wand zum Klirren, die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger schaukelte auch. Ein grau bepelzter Bär von einem Mann erschien in weißer Schürze mit Handtuch über der Schulter, trat hinter die Theke, stemmte die Arme auf die Platte und donnerte in den Schankraum, als wäre der mit mindestens fünfzig Leuten besetzt: »Will noch jemand was? Ich mache jetzt die Küche zu!«
    Bevor ich auch nur zu einem Wort ansetzen konnte, drehte er sich zu mir hin, griff in seinen eindrucksvollen Bart, sagte mild: »Ihr Gulasch kommt sofort« und verschwand. Die Schwingtür hatte sich noch nicht beruhigt, da knallte sie erneut gegen die Holzverkleidung, diesmal noch lauter, und brachte eine andere alte Frau zum Vorschein, etwa die gleiche Größe wie meine schöne Dame, in der Breite allenfalls die Hälfte: eine sehr kleine, sehr schmale, offensichtlich sehr schlecht gelaunte Person.
    Â»Die Biester sind einfach überall!«
    Sie warf im hohen Bogen ein dunkles Bündel über die Theke, das ich erst identifizierte, als es auf vier Pfoten auf meinen Tisch zuschlitterte wie Tom im Zeichentrickfilm. Die Frau würdigte mich und den Alten in der Ecke keines Blickes, fegte durch den Raum und warf die Tür, zu der ich eingetreten war, mit Schwung gegen die Wand, während sie sich ein schmieriges, ehemals weißes Tuch vom Kopf riss. Draußen hörte man lautes Reden, eine hohe Stimme mit einer etwas tieferen, dann Stille. Das kleine Tier blieb friedlich zu meinen Füßen sitzen und leckte sich unbekümmert das Fell.
    Gerade dachte ich darüber nach, was es zu bedeuten haben mochte, dass Wirtin, Koch, Stammgast, Küchenhilfe sämtlich im Rentenalter oder darüber waren, als sich die Tür nochmals öffnete und eine hochgewachsene Frau mit einem Putzwagen
in den Raum rappelte. Mit einem Satz sprang die kleine Katze auf die Fensterbank neben mir, landete auf einer Ausgabe Grimms Kinder- und Hausmärchen, begleitet von einem Wortschwall, den ich für polnische Verwünschungen hielt. Ein Arm schnellte an meinem Gesicht vorbei, gewaltige Brüste schoben sich nach, und ehe ich wieder atmen konnte, war der Putzwagen samt Fahrerin und Katzenjungem wieder draußen. Diese Frau war auch nicht jünger gewesen als die anderen. Jemand vergab hier möglicherweise Gnadenbrot. Obwohl: für einen Vergleich mit grasenden Mähren, denen der Rücken durchhing, waren sie alle deutlich zu aufgeweckt. Ich fragte mich, wann ich das letzte Mal dieses Wort ernsthaft auf jemanden angewandt hatte: aufgeweckt. Es musste an der Umgebung liegen, dass man Wörter dachte wie aus dem tapferen Schneiderlein, Wörter wie regsam, munter, unverdrossen, heiteren Sinnes. Sie trafen allesamt auf meine Dame zu. Summend kam sie hinter der Theke hervor, einen dampfenden Teller in der Rechten, den Brotkorb in der Linken. Es duftete nach Würze und Fleisch, und ich machte mich hungrig über den Teller her.
    Â»Schmeckt’s?«
    Sie polierte Gläser und lächelte mir zu, als bereitete es ihr eine persönliche Freude, mich essen zu sehen.
    Â»Köstlich!«
    Â»Vom Gulasch versteht unser Sergej was.«
    Ich stimmte zu, brach mir Brot ab, aß, fühlte Wärme, die sich von innen ausbreitete, und beschloss die Abfahrtszeiten der öffentlichen Verkehrsmittel für heute zu vergessen. Per Anhalter konnte ich immer noch überallhin kommen. Dies hier lohnte, dass man es genauer in Augenschein nahm.
    Â»Stört Sie die Musik?«

    Â»Nein, gar nicht, ich mag sie.«
    Warum hatte ich als Kind nicht meine Sommerferien hier verbracht, wie es sich gehört hätte? Wieso hatten wir immer nach Südfrankreich oder in die Toskana fahren müssen, wo die anderen Kinder mich deutsch und doof und komisch fanden? Hier hätte ich unter den Tischen mit den Katzen gespielt, wäre zwischendurch an den Strand gerannt, und sie hätte mir Kekse gebacken mit Baiser obendrauf. Die Nichte der Chefin wäre ich gewesen, verwöhnt und dennoch frei wie ein halbwildes Tier, sechs traumhafte Sommerwochen lang. Wie hätte mein Leben aussehen können, hätte ich mit siebzehn, statt einer Mutter auf indischem Selbstfindungstrip, so eine prächtige Tante gehabt, eine Vertraute, die mir das

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