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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Kochen beigebracht hätte und Sachen gesagt wie: »Gebrauche deinen Verstand, mein Liebes, und höre, was dein Herz dir sagen will« oder so ähnlich.
    Ich war drauf und dran, mich in etwas hineinzusteigern.
    Â»Entschuldigung, sind Sie Ruth Schuhmann?«
    Sie sah mich an, als wäre sie erst jetzt auf die Idee gekommen abzuwägen, was von mir zu halten sei.
    Â»Wie war noch einmal Ihr Name?«
    Â»Werner. Katia Werner.«
    Â»Ernsthaft?«
    Ich nickte.
    Ihr Blick ruhte noch immer prüfend auf mir, dann gingen ihre Mundwinkel mitsamt der Augenbrauen nach oben.
    Â»Ach herrje!«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte, aber es war auch gar nicht nötig, dass ich etwas sagte. Sie bewegte sehr langsam das Kinn von einer Seite zur anderen, blies zischend die Luft aus, lächelte schließlich wieder, warm und freundlich. Das wird toll, dachte ich, sie sieht lieb aus, sie wird
mich mögen und mich den Jägerzaun streichen lassen. In meinem Hals war irgendetwas, das da nicht hingehörte. Ich stellte mir gerade vor, wie sie mich in ihre Arme schließen und zum Bleiben einladen würde, da drehte sie sich ruckartig auf dem Absatz herum und rief so laut, dass ich erschrocken zusammenfuhr: »Ruthi!«
    Das Türenknallen kannte ich schon. Die Küchenhilfe hatte sich den Kittel ausgezogen, trug jetzt Jeans und Rollkragenpullover und sagte mürrisch: »Was gibt’s?«
    Meine Dame sagte: »Besuch für dich.«
    Ich sprang auf, starrte Tante Ruth an, und mein erster Gedanke war: Gut, dass ich auf bewährte Mitbringsel wie Gerbera und Weinbrandbohnen verzichtet habe. Dieser Frau brachte man keine Blumen, die erschlug sieben auf einen Streich.
    Die Hand meiner liebenswerten, leider nicht Verwandten legte sich auf die Schulter der dürren Kollegin neben ihr. »Darf ich vorstellen: Das ist Ruth Schuhmann.« Der Arm wanderte von der Schulter in den Raum, streckte sich mir entgegen, und die Bluesstimme sagte: »Ich bin Elisabeth.«
    Â»Von Kroix, musst du dazu sagen.«
    Â»Elisabeth. Freut mich, dich kennenzulernen. Ruth und ich betreiben das Hotel gemeinsam.«
    Ich ergriff Elisabeths Hand, schüttelte sie und dachte: Mist!
    Ruth schaute fragend von einer zur anderen, ihr Blick blieb kurz an mir hängen, dann wandte sie sich Elisabeth zu.
    Â»Wer bitte ist das?«
    Â»Tja«, sagte Elisabeth, »Johannes Werner wird kaum eine so junge Tochter haben, deshalb denke ich …«
    Sie sah mich auffordernd an. »Na?«
    Â»Ich bin seine Enkelin.«
    Ruth verzog keine Miene. Sie stand da, die Hände in die
Hüften gestemmt, das Kinn hochgereckt, und besah sich meine durchnässte, in ihren Augen vermutlich jämmerliche Gestalt mit einem Blick, der bestenfalls in den Bereich des neutralen Nichts, keinesfalls in den des Wohlwollens einzuordnen war.
    Â»Katia«, sagte ich kleinlaut, »ich soll grüßen vom LFS.«
    Und Ruth sagte: »Aha.«

2
Nur für zwischendurch
    Aber der Esel merkte, dass kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen.«
    Ein guter Satz, fand ich.
    Der Wind hier war in Ordnung. Es rumpelte, pfiff und zischte unter den Dachbalken, dazu das Donnern der Brandung, ein vielstimmiges Getöse, Sausen und Schnaufen, dem unter der warmen Daunendecke angenehm zuzuhören war, zumal mein Zustand einen für gewöhnlich sorgsam verdeckten Hang zum Romantischen zum Vorschein kommen ließ. Ein nicht unbeachtlicher Promillewert in meinem Blut mochte dazu beigetragen haben.
    Ãœbermäßiger Weinkonsum schwemmt bei mir nie die sprichwörtliche Wahrheit an die Oberfläche, bestenfalls einen durchgespülten Aufguss von Schwachstellen im Hirn, die besser verborgen geblieben wären. Das scherte mich aber nicht. Was ich brauchte, war eine Pause von mehr oder weniger allem, egal ob weichgespült oder nicht, und hier glaubte ich sie zu finden, wenigstens für den Augenblick. Ich zog die Ersatzdecke aus dem Schrank, wickelte mich bis zur Nase in Gestepptes, träumte mich in ein vergangenes Jahrhundert und fühlte mich gut aufgehoben in diesem winzigen Zimmer unter dem Dach von Palau.
    Ein kleiner Nachttisch mit hellgrauer Marmorplatte hatte einen nahen Verwandten auf dem Dachboden meiner Großmutter
stehen, ansonsten gab es glücklicherweise keine allzu vertrauten Anklänge: weder an Manus Ikea-Stil noch an die Wohnmagazinästhetik meiner früheren

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