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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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nicht?«
    Â»Doch«, sagte Manu, »das kann ich sehen.«
    Wir erwischten die Tante auf dem Flur vor ihrem Zimmer in einem ihrer weniger leuchtenden Momente, so dass Manus erster Kommentar zu ihr verhalten ausfiel: »Schon ein bisschen speziell.«
    Â»Sie hat verschiedene Seiten.«
    Â»Muss wohl so sein.«
    Beim gemeinsamen Abendessen erkundigte sich Ruth dann aber interessiert nach Manus Opernchoralltag, und auch die
anderen Alten präsentierten sich von ihrer angenehmen Seite. Ich war darüber sehr erleichtert und genoss den Abend, und vor dem Schlafengehen bezeichnete Manu sie sogar als »eigentlich ganz reizend«.
    Â 
    Am folgenden Sonntag war bereits eine halbe Stunde vor Beginn der größte Raum des Palau bis vor die Tür mit Menschen gefüllt, die in gemäßigter Abendgarderobe Wein- und Sektgläser in den Händen hielten, angeregt miteinander plauderten und gierig die Winzigkeiten von den Silbertabletts pflückten, die Frau Scherer, zwei weitere Aushilfen und ich zwischen ihnen hindurchzubalancierten versuchten.
    Dann kam Manu, in ihrem hochgeschlitzten Trägerkleid, schritt kirschrot durch die Menge in Richtung Klavier, ließ sich von ihrem Begleiter die Hand küssen, verneigte sich in Richtung Publikum und sah aus wie Michelle Pfeiffer in the faboulos baker boys, nur viel schöner.
    Sie hatte als einzige Bedingung für ihren Auftritt verlangt, dass ich in der ersten Reihe, direkt vor ihr sitzen würde, und ich tat ihr den Gefallen gern. Drei Akkorde ertönten, Manus Stimme setzte ein: »Seit ich ihn gesehen … glaub ich blind zu sein …«
    Ruth, die mit verschränkten Armen an der Seitenwand gelehnt hatte und die Einzige im Saal gewesen war, deren Blick Manu nicht bis nach vorne gefolgt war, drehte sich jetzt nach ihr um, schaute mit zusammengekniffenen Augen über den Rand ihrer Brillenfassung, ließ dann langsam die Arme nach unten sinken und nickte wissend.
    Â»Wie im wachen Traume … schwebt sein Bild mir vor …
    taucht aus tiefstem Dunkel heller nur empor …«
    Die anwesenden Herren, meist weit jenseits der fünfzig,
starrten hingerissen auf die Sängerin. Die dazugehörigen Damen, wenn auch vermutlich mit etwas verschobener Motivationslage, starrten ebenfalls. Meine Tante schloss ihre Augen und ließ ein Lächeln aufscheinen, für das ich sie hilflos lieb hatte.
    Â»â€¦glaub ich blind zu sein.«
    Klaus-Dieter, der seit gemeinsamen Akademietagen darauf wartete, dass Manu ihn einmal erhörte, lockte unserem alten Klavier warme Begleittöne hervor und bewies, dass das in den Klavierstimmer investierte Geld kein Luxus gewesen war.
    Â»Wandle, wandle, deine Bahnen …«
    Manu war in Hochform: Sie schillerte selig oder verzweifelt, wie die Worte es gerade erheischten, ihre Brüste hoben und senkten sich, ein Schweißtropfen versickerte im Dekolleté, und manch einer hätte sein Leben gegeben, ihm zu folgen.
    Nach dem dritten Lied klatschte jemand zögernd, dann brauste wilder Applaus auf, den die Tante ärgerlich wegzuwedeln versuchte. Niemand außer mir nahm davon Kenntnis. Manu verbeugte sich artig, legte dann ihren Finger an die Lippen, gab Klaus-Dieter ein Zeichen weiterzuspielen.
    Ich tat es der Tante nach und schloss die Augen. Allerdings spürte ich, im Gegensatz zu ihr, einem Finger nach, der sachte meinen Nacken entlangfuhr.
    Â»Süßer Freund, du blickest mich verwundert an«, sang Manu mit voller Hingabe, und Frank war der erste Mann, der mich wollte, während meine Freundin direkt vor ihm ihre Show abzog.
    Â»Nun hast du mir den ersten Schmerz getan …«
    Manus Stimme wurde dramatisch, Klaus-Dieter schlug hart in die Tasten, knallte beinahe mit der Stirn an sein Notenblatt.
    Â»Die Welt ist leer, ist leer …«

    Der Finger zog sich aus meinem Nacken zurück.
    Â»Geliebet hab ich und gelebt …«
    Ich schaute nach Ruth.
    Â»Da hab ich dich und mein verlornes Glück …«
    Etwas Feuchtes auf ihrer Wange spiegelte glitzernd den Schein der Lampe über ihr.
    Â»Du meine Welt.«
    Manus Stimme erstarb, sie ließ Kopf und Oberkörper vorn-übersinken in tiefem Kummer, das Klavier hatte noch einige Takte länger zu tun.
    Â»Jetzt dürft ihr mal klatschen!«, rief Manu, spontan von Trauer genesen, und das Publikum tobte.
    Als ich mich endlich bis zur anderen Seite des Saales

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