DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
Betrugsdezernat zurück. Er eröffnete ihr, dass sie vorläufig auf Kaution entlassen werde, allerdings in vier Tagen zu einem weiteren Verhör zurückkommen müsse. Zu allem Überfluss sollte sie in einer Zelle warten, bis der erforderliche Papierkram zu ihrer Entlassung erledigt sein würde. Unglücklich sah sie ihren Anwalt an, der vergeblich zu protestieren versuchte.
Kaum hatte sich die Zellentür hinter ihr geschlossen, sank Lydia am ganzen Leib zitternd auf die Kante der harten Schlafkoje, umfasste ihre zierliche Taille und versuchte, sich zusammenzureißen. Es hatte keinen Zweck, in Angst und Panik zu verfallen. Die Räder der Justiz waren in Bewegung gesetzt, und wenn man sie, Lydia, für schuldig befinden würde, musste sie mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Also würde ihr der Anblick einer solchen Zelle schon bald nur allzu vertraut sein. Denn die Spendengelder von „Happy Holidays“ waren verschwunden, und sie konnte sie weder aus eigenen Mitteln zurückzahlen noch sich eine derartige Summe leihen. Und letztendlich hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, dass sie in diesem Schlamassel steckte.
Niedergeschlagen ließ sie den Kopf sinken. Ein vertrautes Gefühl. In ihrem Leben lief ständig etwas ganz furchtbar schief, und wie es aussah, war es stets ihre Schuld.
Mit zehn Jahren hatte Lydia als Einzige einen tragischen Bootsunfall überlebt, bei dem ihr Vater und ihr kleiner Bruder ertrunken waren. Virginia, ihre Mutter, war völlig außer sich vor Schmerz gewesen. „Es ist deine Schuld!“, warf sie Lydia immer wieder vor. „Wer hat denn nicht aufgehört, um diese dumme Bootsfahrt zu betteln? Du hast sie getötet! Du hast sie alle beide getötet!“
Und obwohl andere Menschen aus ihrem Umfeld VirginiasHysterie zu dämpfen versuchten, empfand Lydia es so, dass ihre trauernde Mutter lediglich die unangenehme Wahrheit aussprach. Als in der Folge das Geschäft ihres Vaters in Konkurs ging und sich ihr hoher Lebensstandard quasi über Nacht in nichts auflöste, war Lydia klar, dass sie auch daran die Schuld trug. Entsprechend froh war sie, als sich ihr wenige Jahre später plötzlich die Möglichkeit auftat, genug Geld zu verdienen, um ihrer Mutter den gewohnten Luxus zurückzubringen. Im Alter zwischen vierzehn und einundzwanzig Jahren verdiente Lydia als Model ein kleines Vermögen.
Doch dann wurde sie egoistisch, wie sie sich unglücklich eingestand. Sie hasste es, als Model zu arbeiten, und ließ sich durch eine schmerzliche Erfahrung, die ihr das Herz gebrochen hatte, verleiten, die glitzernde Modewelt hinter sich zu lassen und ein Studium der Gartenarchitektur anzufangen. Alles, was seitdem falsch gelaufen war, ließ sich auf diese dumme, launische Entscheidung zurückverfolgen.
Da sie schon bei ihrem Eintreffen auf der Polizeiwache vom Blitzlichtgewitter der Pressefotografen überfallen worden war, kehrte sie nach dem Verlassen der Zelle zögernd und ängstlich in den Eingangsbereich zurück. Doch zu ihrer Erleichterung wurde sie diesmal nur von einer einzigen Person erwartet, einer kleinen, energischen Brünetten. Es war ihre Cousine Gwenna, die bei ihrem Erscheinen aufstand und sie besorgt betrachtete. Trotz aller Erschöpfung war Lydia immer noch so unglaublich schön, dass es Gwenna schwerfiel, den Blick von ihr zu wenden. Der Anblick dieses zarten Gesichts, beherrscht von den strahlend blauen Augen und umrahmt von der seidigen, naturblonden Mähne, raubte den meisten Menschen den Atem.
„Gwenna?“ Es war Lydia peinlich, dass sich ihre Cousine ihretwegen zur Polizeiwache bemüht hatte. „Du hättest nicht kommen sollen.“
„Unsinn“, tadelte Gwenna sie im walisischen Dialekt, bevorsie ihre Cousine entschlossen in die Dunkelheit hinausführte und den Kameras der vor dem Parkplatz wartenden Reporter trotzig die Stirn bot. „Du gehörst zur Familie, wo sollte ich sonst sein? Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen.“
Lydia war zu gerührt, um auf Walisisch die richtigen Worte zu finden. Als Kind hatte sie viel Zeit in Gwennas walisischem Elternhaus verbracht, während ihre Eltern verreist gewesen waren. Und als Lydia vor achtzehn Monaten ziemlich am Boden gewesen war, hatte Gwenna sie eingeladen, die Farm ihrer Familie als Zufluchtsort zu benutzen. Zu einem Zeitpunkt, da all ihre sogenannten Freunde sie im Stich gelassen hatten, hatte Lydia dieses herzliche Angebot sehr viel bedeutet.
„Gwenna, ich weiß es zu schätzen, was du für mich tust, aber ich glaube wirklich,
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