DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
durch die selbstverständliche Autorität, mit der er die Worte aussprach, kam es ihr erst gar nicht in den Sinn, ihn abzuweisen.
2. KAPITEL
Erst in dem Moment, als Cristiano das Schweigen brach, begriff Lydia wirklich, dass er tatsächlich vor ihr stand. Sie blinzelte erschrocken – und stellte im selben Augenblick fest, dass sie ihn noch genauso glühend hasste wie vor achtzehn Monaten. Hin und her gerissen zwischen Angst und Faszination, Neugier und Abscheu, blickte sie ihn benommen an und wagte nicht, sich zu rühren, weil ihr die Knie zitterten.
Cristiano nutzte das Überraschungsmoment natürlich aus, indem er einfach vortrat. Unwillkürlich wich sie zurück. Obwohl Lydia auch barfuß schon einen Meter neunundsiebzig maß, überragte Cristiano sie doch noch um gut fünfzehn Zentimeter. Sie verspürte ein fast vergessenes, erregendes Kribbeln im Bauch und errötete beschämt, weil sich die Spitzen ihrer Brüste unter ihrem dünnen Bademantel abzeichneten.
Endlich fand sie ihre Stimme wieder. „Was willst du?“, fragte sie heiser.
Cristiano schloss ohne Hast die Tür. Er schien seine Macht zu genießen. „Weißt du das nicht?“
Obwohl Lydia nicht leugnen konnte, wie sehr seine Nähe sie körperlich erregte, hielt sie seinem Blick stolz und trotzig stand. Sie hatte nicht vergessen, wie viel ihr Cristiano Andreotti einmal bedeutet und wie sehr er sie verletzt hatte. Diese Erfahrung hatte sie verändert, auch wenn sie es sichnicht anmerken ließ. „Woher soll ich wissen, warum du hier bist?“
„Ich dachte, dein Selbsterhaltungstrieb hätte es dir vielleicht verraten?“ Cristiano betrachtete sie spöttisch.
„Offensichtlich nicht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust, damit er nicht merkte, wie sehr sie innerlich zitterte.
„Nun, offensichtlich … bin ich hier, weil ich dich sehen will.“ Es bereitete ihm sichtbar Spaß, sie auf die Folter zu spannen.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, blickte Lydia wie gebannt in seine schönen dunklen Augen, die sie in ihren Träumen verfolgten. Faszinierende Augen, die jetzt kaum eine Regung verrieten. Cristiano war bekannt dafür, dass er nur wenig von seinen Gefühlen preisgab. Er galt als distanziert, ja, eiskalt. Wie toll hatte sie sich damals gefühlt, wenn es ihr gelungen war, ihm ein Lächeln oder gar ein Lachen zu entlocken!
Lydia schüttelte den Kopf, als könnte sie so die ungebetenen Erinnerungen abwehren. Sie wollte nicht daran denken, wie es gewesen war, als sich damals für wenige Monate all ihr Denken und Sehnen nur auf ihn konzentriert hatte.
„Ich will nicht, dass du hier bist.“ Es klang halbherzig, denn sie spürte, dass sie aus Gründen, die sie nicht näher analysieren wollte, es nicht über sich brachte, ihn tatsächlich wegzuschicken.
„Wirklich nicht?“, fragte er aufreizend lässig.
Sie schluckte. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie rasch, um die gespannte Stille zu füllen.
„Ich habe mir Zugang zu einigen vertraulichen Informationen verschafft.“
Sie wurde blass. Also wusste er von dem verschwundenen Geld. Am liebsten hätte sich Lydia in ein Mauseloch verkrochen.
Cristiano ging einfach an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Ihm war klar gewesen, dass sich ihre finanzielle Lage, seit sie sich zuletzt gesehen hatten, stetig verschlechtert hatte, aber erst der Anblick dieses spärlich und schäbig möblierten Raums ließ ihn begreifen, wie wenig ihr geblieben war. Nichts hätte die gewaltige Kluft, die zwischen ihren Lebensstilen bestand, drastischer illustrieren können, ebenso wie die Tatsache, dass Lydia in seiner Welt nur ein flüchtiger Gast gewesen war.
„Was ist mit dem Fenster passiert?“
„Es ist zerbrochen“, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.
„Hast du einen Glaser bestellt?“
„Noch nicht. Es ist erst letzte Nacht geschehen.“
Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und bemerkte auf dem Kaminsims das zerknitterte Papier mit der leuchtend roten Schrift. Cristiano griff danach, sah den dicken Stein daneben und reimte sich den Rest zusammen. „Man hat dich bedroht? Hast du das angezeigt?“
Lydia riss ihm den beleidigenden Brief aus den Händen. „Warum kümmerst du dich nicht um deine Angelegenheiten?“, stieß sie zutiefst beschämt aus.
„Du solltest die Polizei informieren. Ein derartig primitiver Geist macht sich oft irgendwann gewalttätig Luft. Auf keinen Fall darfst du allein hierbleiben.“
„Und wo soll ich deiner Meinung nach hin?“, entgegnete Lydia, bemüht, ihre
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