DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
Angst niederzuringen. Wenn überhaupt, dann hatte der Vorfall in der Nacht zuvor sie nur darin bestärkt, auf keinen Fall bei ihrer Cousine Zuflucht zu suchen. Gwenna lebte mit ihrem Vater und ihrem Bruder in einem abgeschiedenen Farmhaus, und Lydia wollte es auf keinen Fall riskieren, sie irgendeiner Gefahr auszusetzen.
„Ich hätte da vielleicht eine Lösung anzubieten“, meinte jetzt Cristiano fast beiläufig.
Zitternd wich Lydia seinem Blick aus und rang um Fassung.Zu allem Überfluss wurde ihr erst in diesem Moment bewusst, dass sie ungekämmt und bekleidet mit ihrem alten Morgenmantel vor ihm stand. „Hör zu, ich muss mich jetzt anziehen … und habe wirklich keine Zeit, mich hier mit dir herumzustreiten“, erklärte sie so energisch wie möglich und wandte sich ab. Natürlich brannte sie darauf zu erfahren, was für eine Lösung er gemeint hatte, doch sie verbot es sich, danach zu fragen. Du liebe Güte, sie hatte ihm noch nicht einmal gesagt, er solle verschwinden! Besaß sie denn gar keinen Stolz mehr?
Cristiano blickte ihr nach, als sie die Treppe hinaufging, und sah im Schlitz ihres Morgenmantels die seidige Haut ihrer langen, wohlgeformten Beine aufblitzen. Sofort durchzuckte es ihn heiß. Die knisternde, erotische Atmosphäre brachte seine männlichen Hormone in Wallung. Vom ersten Moment an hatte Lydia diese unbändige Anziehung auf ihn ausgeübt, wobei er jedoch überzeugt war, dass sie ihren Reiz für ihn verlieren würde, sobald er einmal mit ihr geschlafen haben würde. Augenblicklich hatte sie zweifellos Angst. Wenn er ihr ohne große Umschweife das Geld anbot, würde sie sich ihm vermutlich hier und jetzt hingeben. Und wenn es schäbig war! Und wenn er bisher noch nie eine Frau dafür bezahlt hatte! Dio mio , sie wollte ihn doch auch! Ihre Blicke und ihre Nervosität verrieten ihm genug. Dennoch schien sie es vor sich zu leugnen, scheute vor ihm zurück, vermied jeglichen Blickkontakt. Ein Mann, der etwas auf sich hält, würde warten, ermahnte er sich.
Nachdenklich betrachtete er für einen Moment das Gartenbuch, das aufgeschlagen auf dem kleinen Esstisch lag. Schließlich begann er wie ein eingesperrter Panther rastlos auf und ab zu gehen. Doch das Wohnzimmer war winzig für einen Mann wie ihn, in der Diele konnte er sich kaum drehen, und die Küche war auch nicht größer. Hier jedoch blieb er am Fenster stehen und blickte erstaunt hinaus. Dem grauen städtischen Umfeld zum Trotz war der kleine Hinterhof mithilfe von üppig bepflanzten Blumenkübeln in eine blühende Oase verwandelt worden.
Cristiano nahm sein Handy aus der Tasche, gab eine Nummer ein und wies einen seiner Angestellten an, dafür zu sorgen, dass ein Glaser die zerbrochene Fensterscheibe in Lydias Wohnzimmer ersetzte. Und es solle umgehend geschehen.
Im Obergeschoss war Lydia eilig im Bad verschwunden und versuchte, sich gleichzeitig das Haar zu bürsten und die Zähne zu putzen. Mit zittrigen Fingern zog sie sich dann das Nachthemd aus und zerrte Jeans und ein Westen-Top aus einer Schublade. Wie hätte sie auch gelassen und ruhig sein sollen? Unten in ihrem Wohnzimmer befand sich der Mann, der ihr Vertrauen erschlichen und sie dazu gebracht hatte, sich in ihn zu verlieben. Der aalglatte, versierte Playboy, der genau wusste, wie man romantische Gefühle vortäuschte und sich den Anstrich gab, es ernst zu meinen. Aber es war alles nur Heuchelei gewesen. Sie war Opfer seines grausamen, entwürdigenden Spiels geworden. Ein Dummchen, über das er sich mit seinen Machofreunden lustig machte, die sich untereinander mit der Anzahl der Kerben auf ihrem Bettpfosten brüsteten!
Mit zitternder Hand zog Lydia den Reißverschluss ihrer Jeans zu. Leider war sie damals so verletzt und wütend gewesen, dass sie sich dazu hatte überreden lassen, umgehend Rache zu üben, um wenigstens ihren Stolz zu retten. Doch dabei war sie nur erneut zum Opfer geworden, denn die Konsequenzen dieser unüberlegten Spontanreaktion hatten letztendlich ihre Karriere als Model zerstört.
Was also suchte Cristiano Andreotti jetzt in Wales? Warum kam er zu ihr? Und was meinte er mit einer „Lösung“? Lydia konnte sich nicht vorstellen, warum er überhaupt den Wunsch verspüren sollte, ihr zu helfen. Als sie damalszusammen mit Mort aus seinem georgianischen Herrenhaus geflohen war, hatte sie Cristianos aufgeblasenem Ego einen schweren Schlag versetzt. Was sonst hätte sie auch treffen können, da er weder ein Herz noch ein Gewissen besaß? War er jetzt
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