Das Model und der Scheich
gewesen war?
An den Jungen von damals erinnerte nur wenig, denn Salih betrachtete sie voller Misstrauen. Dennoch war ihm seine unverhohlene Begierde so deutlich anzumerken, dass Desirée regelrecht erschauerte.
„Was für ein sagenhaftes Panorama“, meinte sie, um etwas Unverfängliches zu sagen. Doch Salih reagierte nicht. Plötzlich spürte sie, wie er ihr den Arm um die Taille legte. Seine Hand fühlte sich heiß an.
Schweigend schritten sie über die Terrasse zu einem Dachgarten, in dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen plätscherte.
Salih führte sie zu einem Alkoven, der aus bewachsenen Rankgittern bestand. Auf einem niedrigen Podest im Inneren lagen dicke Teppiche und luxuriöse Polster.
Nachdem Salih die Schuhe ausgezogen hatte, ging er hinein und ließ sich auf die weichen Seidenkissen sinken.
Als Desirée ihn so daliegen sah, braun gebrannt und hochmütig, fühlte sie sich an einen Sultan aus Tausendundeiner Nacht erinnert.
Mit einer einladenden Geste bedeutete ihr Salih, sich ihm anzuschließen. Sie wusste nicht, warum sie zögerte. Doch schließlich kam sie der Aufforderung nach und streifte die Sandalen von den Füßen.
„Du siehst heute Abend wunderschön aus“, stieß er hervor – als ob er diese Äußerung lieber unterdrückt hätte.
Das hatte er schon einmal gesagt. Heute Abend. Und immer, hatte er hinzugefügt.
„Mash’alla“, erwiderte Desirée. Wie es Gott gefällt. Die landestypische bescheidene Antwort auf ein Kompliment, wie sie von Salih wusste. Damit sollte Neid vermieden werden.
Einen kurzen Moment meinte sie, dass er sich über die Verwendung dieses Ausdrucks freute. Doch schon schien sein Gesicht verschlossen wie zuvor.
So wandte sie ihren Blick wieder dem Sonnenuntergang zu. Während sie das Farbspiel der Wüste beobachtete, spielte ein leichter Windhauch in Desirées Haaren. Sie strich sie zurück und seufzte. Trotz Salihs Distanziertheit überkam sie ein Gefühl tiefer Zufriedenheit.
Nein, sie wollte nicht mit ihm streiten. Deshalb suchte sie nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
„Das hier ist wirklich ein ungewöhnliches Esszimmer.“
„Ein Entwurf von Prinzessin Jana für rein private Zwecke. Hierher zieht sich Prinz Omar zurück, wenn er sich entspannen und von Staatsgeschäften nichts hören möchte.“
„Hoffentlich kommt bald unser Essen. Ich habe zuletzt in London etwas zu mir genommen und habe einen Bärenhunger.“
„Da muss ich mich wohl entschuldigen, dass Fatima dir nichts zu Mittag angeboten hat.“
„Hat sie. Aber da hatte ich noch keinen Hunger.“
„Und im Flugzeug?“
„Esse ich nie etwas.“
Unten in der Stadt ertönte der Ruf des Muezzins, der die Gläubigen zum Gebet rief. Desirée hörte zum ersten Mal den typischen Sprechgesang, der in der Ferne widerhallte.
Zu zweit saßen sie da, lauschten und erinnerten sich daran, wie Salih ihr vor langer Zeit diesen Gebetsruf beschrieben hatte.
Ein Bediensteter erschien und breitete eine Damastdecke aus, auf die er zwei Karaffen und vier Gläser stellte. Nachdem er die Gläser halb gefüllt hatte, verschwand er wieder.
„ Allahu akhbar. Allahu akhbar. Hayya alas salaat.“
„Was heißt das?“, wollte Desirée wissen.
„Gott ist groß. Kommt zum Gebet“, übersetzte Salih leise.
„Das Echo ist interessant. Kommt es von der Wüste?“
„Welches Echo?“, fragte er. Dann lächelte er. „Das ist kein Echo. Da kein gläubiger Muslim außerhalb der Reichweite des Gebetsrufes wohnen darf, hat jede Moschee ihren eigenen Muezzin. Und wir hier oben hören sie alle.“
Inzwischen war es Nacht geworden, und Desirée blickte durch die berankten Gitter nach oben in den Himmel, an dem die ersten Sterne aufgingen.
„Wunderschön!“ Wieder seufzte sie. „Seltsam, an irgendetwas erinnert mich das. An was nur? Der Himmel sieht aus wie dunkler Samt. Wann habe ich nur …? Oh!“ Sie verstummte.
„Was ist?“, fragte Salih.
„Ach, nichts.“ Sie hüstelte wenig überzeugend. „Ich habe mich wohl verschluckt.“
„Du fühlst dich an etwas erinnert. Weißt du noch, wann oder wo das war?“
„Nein.“ Hustend griff sie zu ihrem Glas.
„Doch“, widersprach er mit rauer Stimme. All seine Vorsätze für diesen Abend lösten sich in Luft auf. „Du denkst an die Insel. Ich auch, Desi. Als ich zum ersten Mal hier im Alkoven saß, fielen mir unsere Nächte unter dem Pier ein. Wir haben die Schönheit des ewigen Firmaments bewundert. Nirgendwo wären wir lieber gewesen, und vor
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