0845 - Das Höllenhaus
Damit endeten die Tagebuchaufzeichnungen der Fanny Weldon, und ich ließ das Buch sinken.
»Na, was sagst du?« Die Stimme meines Freundes Bill Conolly unterbrach meine Gedanken.
Ich griff zum Glas, in dem Whisky schimmerte. Bedächtig trank ich einen Schluck, und genoß das herrliche Aroma. »Tja, was soll ich davon halten?«
»Das will ich ja von dir wissen.«
»Papier ist geduldig.«
Bill verzog den Mund. »Aha, darauf läuft es also hinaus. Du glaubst nicht daran?«
»Nun ja, das will ich nicht gerade sagen. Wenn jetzt irgendein Miller oder Smith mir diese Zeilen gezeigt hätte, wäre ich schon mehr als skeptisch gewesen. Bei dir jedoch, Bill, ist das etwas anderes. Da fange ich an, nachdenklich zu werden.«
»Wunderbar, John. Das solltest du auch.«
Mein Mund zeigte ein Lächeln, als ich an Bill vorbei zum Wohnzimmerfenster schaute, hinter dem der Garten in völliger Dunkelheit lag. Wir waren allein im Haus. Sheila spielte mit irgendwelchen Freundinnen Karten, Johnny, der Sohn, hatte sich ebenfalls verzogen, und so konnten wir Männer mal richtig klönen. Wir hatten uns viel zu erzählen, besonders ich hatte Bill von meinen letzten Fällen berichtet und natürlich die Dinge in Amsterdam nicht vergessen, wo ich es mit dem Tunnel der hungrigen Leichen zu tun bekommen hatte, aber das lag zurück, und Bill war dann zu seinen Problemen gekommen und hatte mir die Seite des Tagebuches gezeigt.
»Du weißt mehr, Bill.«
»Das denkst du.«
»Ist es so?«
»Nichts Genaues. Ich weiß nur, daß es dieses Haus, von dem Fanny Weldon da berichtet hat, gibt.«
»Okay, halten wir das fest. Nächste Frage, Alter. Wer ist diese geheimnisvolle Fanny Weldon?«
»Sie kenne ich nicht.«
»Hast du Nachforschungen angestellt?«
Bill nickte mir zu. »Ja, mein Lieber, das habe ich. So gut müßtest du mich kennen. Ich hatte mich darin verbissen und habe herausgefunden, daß es Fanny Weldon nicht mehr gibt. Sie ist tot. Sie starb vor einigen Jahrzehnten.«
»Wie schön für uns. Damit wäre ja einiges aus der Welt geschafft worden, denke ich.«
»Ich nicht.«
»Klar.«
Bill schlug die Beine übereinander. »Fanny Weldon ist zwar tot, aber in ihrem Tagebuch lebt sie weiter, und sie hat mich neugierig gemacht. Ich möchte, daß wir beide uns das Haus einmal aus der Nähe ansehen und es auch durchsuchen.«
»Was willst du dort finden?«
»Keine Ahnung.«
»Das Kalte Feuer.«
»Zum Beispiel.«
»Oder Fanny?«
Bill schaute mich beinahe strafend an. »Wie kommst du denn auf den Gedanken?«
»Ganz einfach. Ich kenne dich. In dir juckt es, in dir brennt es. Du willst hinter das Geheimnis des Hauses kommen. Du willst herausfinden, was sich dort abgespielt hat, und du glaubst auch nicht daran, daß Fanny Weldon wirklich tot ist.«
»Irrtum, sie ist…«
Ich unterbrach ihn. »Ja, ja, Bill. Tot ist nicht gleich tot. Da steckt noch etwas anderes dahinter, denke ich mal. Man kann körperlich tot sein, aber geistig oder seelisch weiterleben, um es mal einfach auszudrücken. Du willst herausfinden, ob Fanny Weldons Geist noch existiert und durch die Mauern geistert.«
Bill Conolly nickte mir zwar nicht zu, aber sein Lächeln bewies mir, daß ich richtig getippt hatte.
»Es kommt noch etwas hinzu, John.«
Ich nahm wieder einen Schluck. »Was denn?«
»Fanny Weldon hat von diesem Kalten Feuer geschrieben. Hat dich dieser Begriff nicht mißtrauisch gemacht?«
»Hätte er das machen sollen?«
Er winkte ab. »Ach komm, John Sinclair. Spiel mir hier bitte keinen vor. Natürlich solltest du dir darüber Gedanken machen, denn dieses Kalte Feuer kannst du durchaus mit einem anderen Begriff umschreiben. Höllenfeuer.«
»Daran habe ich auch gedacht«, gab ich zu.
»Wobei wir an einem bestimmten Punkt angelangt sind. Asmodis, Satan, Teufel, wie auch immer.«
Ich ließ mir mit einer Antwort Zeit und dachte nach. Es lag auf der Hand, daß mein Freund Bill von bestimmten Punkten ausging. Diese Fanny Weldon mußte auf den Teufel gestoßen sein. Oder auf das, was er hinterlassen hatte. Auf das Böse, auf eine bestimmte Erbschaft der Hölle und so weiter.
Beide waren wir darüber informiert, daß diese Welt nicht nur aus den Dingen bestand, die wir mit den eigenen Augen sahen. Daß es noch etwas gab, das dahinter war. Metaphysische Tatsachen, andere Dimensionen, andere Welten, Reiche, die von Dämonen besetzt waren und beherrscht wurden. Diese jenseitige Welt war ungemein vielfältig und vielschichtig, und ich weigerte mich oft
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