Das mohnrote Meer - Roman
profundeste Konfusion, denn aus der Passage wusste ich ja, dass man ohne Züchtigung ein Ausgestoßener ist. Aber was sollte ich sagen, Mr. Reid? Die Wahrheit ist, dass mein Vater mich in meinem ganzen Leben kein einziges Mal geschlagen hat. Beschämt gestand ich meinen Mangel an Züchtigung ein, worauf Mr. Burnham fragte, ob ich sie nicht kennenlernen wolle, denn eine solche Lektion sei für wahre Buße unabdingbar. Können Sie sich die Legion meiner Ängste vorstellen, Mr. Reid, bei dem Gedanken, von einem so großen, mächtigen Mann gezüchtigt zu werden? Aber ich nahm all meine Courage zusammen und sagte, ja, ich sei bereit. Doch dann kam eine Überraschung, Mr. Reid, denn nicht ich war zur Züchtigung ausersehen …«
»Wer dann?«, unterbrach Zachary.
»Er. Er-derselbe.«
»Donnerkeil!«, rief Zachary. »Sagen Sie jetzt nicht, Mr. Burnham selbst wollte geschlagen werden!«
»Doch, ich hatte ihn falsch verstanden. Er war es, der die Züchtigung erdulden wollte, ich sollte nur das Instrument seiner Bestrafung sein. Sie können sich meine Nervösität vorstellen, Mr. Reid. Wenn Ihr Wohltäter Sie bittet, das Instrument seiner Züchtigung zu sein, wie können Sie sich da weigern? Ich sagte also Ja, und dann nahm er eine höchst singuläre Position ein. Er bat mich, sitzen zu bleiben, dann senkte er sein Gesicht auf meine Füße, umfasste meine Pantuffeln und kauerte sich hin wie ein Pferd, das in die Knie geht, um aus einer Pfütze zu trinken. Dann nötigte er mich, auszuholen und ihn auf seine – seine Fessen zu schlagen.«
»Seine was? Ich verstehe nicht, Miss.«
»Auf – wie sagt man – den rückwärtigen Teil, den derrière ?«
»Heck? Heckreling? Poopdeck?«
»Ja«, sagte Paulette. »Sein ›Poopdeck‹, wie Sie es nennen,
stand nun hoch in der Luft, und dorthin sollte ich mit meiner Züchtigung zielen. Sie können sich meine Betrübnis bei dem Gedanken vorstellen, meinen Wohltäter auf diese Weise zu attackieren. Aber er ließ sich nicht decouragieren. Er sagte, meine spirituelle Erziehung würde sonst nicht voranschreiten. ›Schlag zu!‹, rief er. ›Erhebe deine Hand gegen mich!‹ Was sollte ich machen, Mr. Reid? Ich imaginierte mir, da sei eine Fliege, und ließ meine Hand auf sie fallen. Aber das genügte nicht. Ein Stöhnen kam von meinen Füßen her – etwas gedämpft, denn die Spitze meines Pantuffels war jetzt in Mr. Burnhams Mund –, dann rief er: ›Fester, fester, mit aller Kraft!‹ So ging es eine Weile, aber ich konnte noch so fest schlagen, er bat mich, noch fester zu schlagen, obwohl er Schmerzen hatte – dass wusste ich, weil er in meine Pantuffeln biss und daran saugte, sodass sie schon ganz nass waren. Als er endlich aufstand, war ich sicher, dass nun Vorwürfe und Protest kommen würden. Aber nein! So erfreut hatte ich ihn noch nie gesehen. Er kitzelte mich unterm Kinn und sagte: ›Braves Mädchen, du hast deine Lektion gut gelernt. Aber bedenke! Alles war umsonst, wenn du darüber redest. Kein Wort also – zu niemandem!‹ Das hätte er nicht eigens zu sagen brauchen, denn natürlich hätte ich solche Dinge niemals zur Sprache gebracht.«
»Junge, Junge!« Zachary stieß einen leisen Pfiff aus. »Und ist das noch mal passiert?
»Aber ja, viele Male. Die Lektionen begannen immer mit der Lektüre, und endeten dann so. Glauben Sie mir, Mr. Reid, ich habe meine Züchtigungen immer nach besten Kräften administriert, aber obwohl Mr. Burnham oft Schmerzen zu haben schien, hat die Kraft in meinem Arm nie ausgereicht. Ich bemerkte seine wachsende Insatisfaktion. Eines Tages sagte er: ›Ich sage es ungern, meine Liebe, aber als Waffe der Bestrafung
ist dein Arm weit entfernt von dem, was wünschenswert wäre. Vielleicht brauchst du ein anderes Werkzeug? Ich wüsste da genau das Richtige …‹«
»Und woran hat er da gedacht?«
»Vielleicht haben Sie es schon einmal gesehen …« Paulette unterbrach sich, um das Wort, das sie verwenden wollte, noch einmal zu überdenken. »Es gibt hier in Indien eine Art Besen, mit dem die Sweeper Nachtstühle und Toiletten reinigen. Es besteht aus Hunderten von zusammengebundenen dünnen Stängeln, den Rippen von Palmwedeln. Jhatas oder Jharus heißen diese Besen, und sie machen so ein raschelndes Geräusch …«
»Er wollte mit einem Besen geschlagen werden?«, japste Zachary.
»Keinem ordinären Besen, Mr. Reid«, rief Paulette. »Einem Sweeper-Besen. Ich sagte: ›Aber sind Sie sich darüber im Klaren, Sir, dass solch ein Besen zum
Weitere Kostenlose Bücher