Das Mond-Monster
den Wald, aber er war enger geworden und völlig überwachsen. Er tauchte ab in das Dunkel zwischen Unterholz und den Stämmen der Bäume.
Mike Derek ging ihn weiter. Sein Blick war geschärft. Das Gehör ebenfalls. Er hatte zudem den Eindruck, durch eine frostige Welt zu laufen, in der allerdings eine gewisse Klarheit vorhanden war, sodass er alles doppelt so gut hörte.
Mike selbst war kaum zu hören. Er schlich mit langen Schritten vor. Das Messer hielt er in seiner rechten Hand und der Arm war dabei nach unten gesunken.
Er suchte das Tier – und sah es!
Es kam ihm zugute, dass auch sein Sehvermögen in der Dunkelheit geschärft war; als Halbvampir genoss er auch manche Vorteile. Er drehte den Kopf nach rechts, denn er hatte die huschende Bewegung mitbekommen.
Das Tier war da. Es lief von ihm weg, aber es war verdammt nah. Mike handelte blitzschnell. Er drehte sich, riss den Messerarm in die Höhe und schleuderte die Klinge.
Der Stahl pfiff durch die Luft und war so perfekt geworfen worden, dass ihn nichts ablenkte. Weder ein Baumstamm noch sperriges Unterholz.
Das Messer traf den fliehenden Körper des Fuchses in die rechte Seite. So heftig, dass Mike sogar den Aufprall hörte.
Der Halbvampir tat nichts mehr. Er kannte sich und brauchte nur abzuwarten. Auch in der Dunkelheit war sein Blick scharf genug, um die Einzelheiten erkennen zu können. Mike sah, wie der Fuchs mitten im Lauf zusammenbrach. Das Tier wollte nicht aufgeben und versuchte, wieder auf die Läufe zu kommen, aber die Klinge steckte bereits zu tief in seinem Körper. Bis zum Heft war sie darin verschwunden, sodass nur noch der Griff hervorragte. Ein paar heftige Bewegungen noch mit den Hinterläufen, dann war es vorbei.
Mike lächelte. Er atmete. Und er lächelte, weil er atmete. Ein »richtiger« Vampir brauchte nicht zu atmen. Er aber musste in der normalen Luft leben, um existieren zu können.
Mike Derek wartete noch einige Sekunden ab, bevor er sich durch das Unterholz schlug und bei dem toten Fuchs stehen blieb. Er lag auf der Seite, mit offener Schnauze, als hätte er noch kurz vor seinem Ableben nach Luft schnappen wollen.
Der Halbvampir schaute auf ein totes Auge. Blut war kaum zu sehen, denn das fest im Körper steckende Messer hatte auch die Wunde geschlossen.
Er bückte sich, umfasste die Klinge und zog sie mit einem Ruck aus dem Fuchskörper hervor. Es floss etwas Blut nach. Für ihn zu wenig. Er setzte zu einem Schnitt an und erweiterte die Wunde. Jetzt hatte das Blut freie Bahn. Es rann aus der Wunde hervor und hinein in Mike’s Mund, denn er hatte das Tier angehoben und über sein Gesicht gehalten.
Wo war der Mensch und wo der Vampir?
Als Mensch ekelte er sich davor, das frische und noch dampfende Blut zu trinken. Als Vampir aber brauchte er diesen Lebenssaft, um auch weiterhin in der Nacht so existieren zu können wie jetzt. Das Blut gab ihm die nötige Kraft.
Er trank sich satt. Schluckte so lange, bis kein Tropfen Blut mehr im Körper steckte. Wie eine Katze, der das Fressen geschmeckt hat, leckte er seine Lippen ab. Den Kadaver schleuderte er irgendwo ins Unterholz. Ein Fraß für die Maden, Käfer und auch Würmer. Sie sollten ebenfalls nicht zu kurz kommen.
Es ging ihm wesentlich besser, als er sich auf dem Rückweg zu seinem Leichenwagen machte. Das getrunkene Blut wirkte wie ein Motor, der jetzt eingestellt worden war. Allmählich lief er rund und Mike fühlte sich stark genug, um das Mond-Monster jagen zu können. Lange genug war es ihm entwischt. In dieser Vollmond-Phase wollte er es zur Strecke bringen.
Auch jetzt konnte er sich nicht erklären, weshalb er so scharf darauf war, den Unhold zu fangen. Es steckte etwas in ihm, das ihn antrieb. Es konnte so etwas wie ein Gewissen sein, das zu seiner menschlichen Seite gehörte, sodass er mit und durch es die andere Seite kompensieren konnte.
Alles hatte seinen Sinn im Leben, davon ging er aus. Auch bei ihm, bei einem Halbvampir. Obwohl er sich nicht erklären konnte, wie er dazu geworden war.
Woran lag es? An seinem Vorleben vielleicht? An seinen Eltern, die er nicht kannte? Und welche Verbindung existierte zwischen ihm und dem Mond-Monster?
Er wusste es nicht. Er konnte sich auch nichts vorstellen. Er ahnte nur, dass es eine Verbindung geben musste, sonst wäre er nicht so stark auf diesen Unhold fixiert.
Mike brauchte nicht erst auf die Uhr zu blicken, um zu wissen, dass die Nacht erst begonnen hatte. Das war für ihn zu fühlen. Die Dämmerung hatte
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