Das Monopol
Schlamm. Begleitet vom spöttischen Gelächter der Männer versuchte er sich heraus- zuwinden und schaffte es nach einigen vergeblichen Versuchen. Er wischte sich den schwarzen, klebrigen Lehm ab, der an Armen, Händen und im Gesicht haftete, doch seltsamerweise war er nicht weich – Osage fühlte winzige Steine im Schlamm. Er wusch sich, so gut es ging, und betrachtete seine lehmverschmierten Hände.
Plötzlich erstarrte er.
Zwischen zwei Fingern seiner linken Hand steckte ein rauer Kieselstein. Obwohl er zum Teil noch mit verkrustetem Schlamm überzogen war, erkannte Osages geübtes Auge sofort, was er da vor sich hatte. Sorgfältig rieb er den Kiesel an der letzten sauberen Stelle seines Hemdes ab und hielt ihn zwischen zwei schmutzigen Fingern gegen die grelle Sonne. Das durchsichtige Steinchen funkelte im Licht. Osages lehmverkrustetes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. In der Hand hielt er eine jener Kostbarkeiten, die sein Team im Auftrag der US- Behörde für Geologische Landesaufnahme gesucht hatte.
Einen Diamanten.
Washington verschwendete keine Zeit. Keine zwei Monate, nachdem der Bericht des Teams eingegangen war, wurde eine Mine eingerichtet, die sogleich einen ansehnlichen Ertrag ein brachte. Washington wies die Geologen an, den Anteil der diamantenhaltigen Gesteinsschichten zu bestimmen. Das Ergebnis überstieg Osages höchste Erwartungen. Was sie ursprünglich für eine dürftige Sekundärlagerstätte gehalten hatten, erwies sich als unterirdisches Meer aus Diamanten.
Wenngleich Washington den überraschenden Fund streng unter Verschluss hielt, gelangten die Neuigkeiten nach Südafrika, wo schon seit vierzig Jahren gewaltige Diamantenvorkommen entdeckt wurden. Dass es nun auch Diamanten in Arkansas geben sollte, klang in den Ohren der Waterboer Mines Limited äußerst bedrohlich.
Seit die kostbaren Steine 1871 bei Kimberley im Oranjefreistaat entdeckt worden waren, hatten die Minengesellschaften Südafrikas jede erdenkliche Strategie angewandt, um die unzähligen neu entdeckten Minen zu einem einzigen, effektiv arbeitenden Unternehmen zusammenzuschließen. Bestechung, zwielichtige Abmachungen und geheime Absprachen ließen die Waterboer Mines Limited als Sieger aus dem Streit hervorgehen. Waterboer kontrollierte zunächst die Diamantenproduktion in Südafrika, dann die der ganzen Welt. Die Entdeckung in Arkansas bedrohte Waterboers Monopol. Ein gewaltiges Diamantenvorkommen, das sich ihrer Kontrolle entzog, würde die Preise in den Keller sinken lassen. Waterboer musste handeln. Und zwar rasch.
Als Herrscher über das mächtigste Monopol der Welt hatte Cetil R. Slythe einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Das Diamantenmonopol brachte Reichtum, und der Reichtum brachte Einfluss. Und der Einfluss Macht. In Südafrika und Europa. Und in Amerika. Ganz besonders in Arkansas.
Im Herbst 1920 flog Cecil R. Slythe nach Washington. Kaum eine Stunde, nachdem er sich mit den Mächtigen aus der Finanzwelt und der Politik zusammengesetzt hatte, wurde Osages Team aufgelöst und dessen Mitglieder auf wichtige Expeditionen in ferne Länder geschickt. Die Diamantenmine von Murfreesboro wurde mit Brettern vernagelt und aufgegeben, die Minenarbeiter über das ganze Land verstreut und mit besser bezahlten Jobs geködert. Journalisten und Politiker wurden zum Schweigen gebracht. Der Bericht der Geologen wurde in einem Gewölbe tief unter einem namenlosen Gebäude in Washington versenkt, damit er nie wieder ans Tageslicht gelangte.
Im Jahre 1932, nach der Rückkehr von einer äußerst gefährlichen Suche nach Smaragden in Kolumbien, beschloss Osage, der Mine in Arkansas, die er immer noch insgeheim als »seine Mine« bezeichnete, einen Besuch abzustatten. Sein Interesse war nicht finanzieller Art – er hatte keinen Anteil an der Mine erhalten –, sondern beruhte auf beruflicher Neugier, ja, beinahe auf einer Art Vatergefühl.
Dort, wo bei seiner Abreise täglich hunderte Karat gefördert worden waren, fand er nur noch morsche Holzbalken und verrostete Maschinen vor. Wie kam das? Er kannte doch die ausgedehnten Gesteinsablagerungen, die Millionen Karat wert waren. Dieses gewaltige Vorkommen konnte selbst nach so langer Zeit nicht abgebaut sein. Warum hatten sie die Mine dann geschlossen?
Osage wollte es herausfinden.
Er begann seine Nachforschungen an dem Ort, der ihm am besten geeignet schien: der Washingtoner Zentrale der USGS. Die offizielle Antwort versetzte ihn in Erstaunen: Leider müsse
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