Das Monopol
Carlton.«
»Mr Carlton hört sich an, als würden Sie mit meinem Vater sprechen. Wir sind hier nicht so förmlich. Pat klingt besser.« Er hielt kurz inne. »Wassenaar. Sind Sie Holländerin?«
»Ich bin beeindruckt … Die meisten Leute können mit dem Namen gar nichts anfangen.«
»Anfängerglück.« Er deutete auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.«
Erikas Blicke glitten über die gerahmten Fotos, Diplome und Auszeichnungen an der Wand. Zulassung zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Bundesbezirksgericht. Bundesberufungsgericht. Zulassung zur Anwaltskammer von Kalifornien. Anwaltskammer des District of Columbia. George Washington University. National Law Center. University of California, Los Angeles.
»Ich war auch auf der UCLA«, sagte sie.
»Prima. Ich könnte eine Seelenverwandte in diesem Club hochnäsiger Eliteuni-Pinkel gut gebrauchen. Wo haben Sie Jura studiert?«
»In Pepperdine.«
»Von da haben wir einige gute Anwälte.«
Das Telefon klingelte. »Entschuldigung«, sagte Carlton, als er die Hand nach dem Hörer ausstreckte.
Erika musterte den Mann, der ihr gegenübersaß. Er schien ein freundlicher Mensch zu sein. Ein bisschen scheu vielleicht, aber das fand sie ganz erfrischend. Obwohl er einen dunklen Bürstenschnitt, eine kräftige Nase, eindringliche blaue Augen und ein kantiges Kinn hatte, konnte man ihn nicht unbedingt als gut aussehenden Mann bezeichnen. Erika hatte auch nicht gehört, dass er besonders sportlich, clever oder wohlhabend wäre. Im DOJ hieß es, dass er Zigarren qualme wie ein Schlot – aber keine kubanischen, weil die illegal waren. Er sei ziemlich temperamentvoll, verliere aber selten die Beherrschung. Im Büro trug er konservative, marineblaue Anzüge und weiße Hemden, dazu vorbildlich geputzte Cowboystiefel. Aber etwas wurde in den Gerüchten nicht erwähnt: Erika erkannte eine Entschiedenheit und Stärke in diesem Mann, die anscheinend keiner der Kollegen wahrhaben wollte.
Als Carlton auflegte, wies Erika auf ein körniges, vergilbtes Foto, das einen älteren Mann und einen Teenager zeigte, die lächelnd neben einem staubigen Doppeldecker standen. »Wer ist das?«
»Mein Großvater und ich. Er hat Felder in El Centro in Kalifornien mit Unkrautvernichtungsmitteln besprüht. Er hat mir das Fliegen beigebracht.«
»Fliegen Sie immer noch?«
»Seit er tot ist, nicht mehr. Ich hab’s seitdem mehr mit dem Wasser«, erklärte Carlton und nahm das kleine Holzmodell eines grauen Bootes mit weißen Lettern an der Seite von seinem Schreibtisch.
Erika legte den Kopf schief. »Sie sind bei der Marine?«
»Ja. Lieutenant. Mit diesem kleinen Pott hier schippere ich an zwei Wochenenden im Monat durch die Chesapeake Bay. Nach dem, was heute ‚Morgen hier vorgefallen ist, kann ich daraus wohl meinen Hauptjob machen.«
Sie kicherten beide. Nach einem Augenblick des Schweigens stand Erika auf. »Ich muss jetzt los. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn ich etwas für Sie recherchieren soll. Ich hoffe, wir können bald mal zusammen arbeiten.«
Das hoffte Carlton auch – und der Gedanke ließ eine Alarmglocke schrillen. Er erhob sich ebenfalls und fegte dabei fast einen Dokumentenstapel vom Tisch. »Noch einmal danke für die Warnung.«
2.
Der Überfall
Diamantenzentrum Mirnyj
2000 Kilometer nordöstlich von Irkutsk
Mirnyj, Sibirische Republik Sacha (Jakutien)
Russische Föderation, 2.37 Uhr
Sie kamen wie Geister in der bitteren Kälte der sibirischen Nacht.
Furchtlos.
Lautlos.
Gnadenlos.
Dreißig Söldner der volki, der »Wölfe«, krochen auf den Haupteingang des Diamantenzentrums in der Nähe von Mirnyj zu. Dieses Zentrum brachte den größten Teil der russischen Diamantenproduktion hervor. Mehr als zehn Millionen Karat im Jahr. Dicke, feuersichere Fallschirmanzüge trugen die Männer, die einst der speznaz angehört hatten, der Eliteeinheit der Roten Armee. Ihre Augen und Lungen waren durch Helme und Atemgeräte geschützt. Beim Herannahen sahen sie den dunklen Komplex durch ihre Nachtsichtbrillen in ein unheimliches grünes Licht getaucht. Nun nahmen sie die Brillen ab. Bewaffnet mit Titanmessern und Flammenwerfern lagen sie flach auf dem sibirischen Permafrostboden und warteten auf das Zeichen ihres Truppführers.
Uljanow schwenkte einen Leuchtstab. Einige seiner Männer sprühten eine Flüssigkeit auf den Boden; sie reagierte fast augenblicklich mit einer Chemikalie, die wenige Minuten zuvor von Paraglidern versprüht worden war. Ein
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