Das Mordgesindel (German Edition)
habe ich gute Chancen, sie für alles büßen zu lassen.« Er lachte. »Snake und Tomas, zwei einsame Herzen gehen auf die Jagd. Klingt gut.«
Ich nickte ebenfalls und verkniff mir einen bissigen Kommentar. Mit Snake verband mich nichts und ich hatte nicht vor, mich mit ihm anzufreunden und einen auf gut Kumpel zu machen.
Ich folgte ihm durch das Bordell, verabschiedete mich artig von den Damen im Empfangsraum und trat die schwerste Reise meines Lebens an, mit einem Begleiter, den selbst die eigene Mutter verstoßen würde.
Kapitel 5
Diana öffnete die Augen. Die Sonne schien durch die Gardinen in ihr Gesicht. Sie streckte sich und vergaß für einen kurzen Moment, wo sie sich befand.
Als sie sich aufrichtete und Lady auf einem Stuhl vor ihrem Bett sitzen sah, verschwand die Hoffnung, alles wäre nur ein böser Traum gewesen.
»Ausgeschlafen?« Lady stand auf, brachte ihr ein Glas Wasser und ein Tablett mit Rühreiern und zwei Scheiben Brot.
Diana verschlang das Essen, als gäbe es kein Morgen. Seit Wochen bekam sie nur Brei und Suppe. Feste Nahrung gehörte nicht zu den Mahlzeiten, die ihre Entführer ihr zugestanden. Das Ei war zwar kalt, dennoch entstand in Dianas Mund eine Geschmacksexplosion.
»Schmeckt’s?«
Diana nickte und stopfte sich Gabel um Gabel das Frühstück hinein. Binnen fünf Minuten verspeiste sie alles.
»Da hatte aber jemand Hunger.« Lady nahm ihr das Tablett vom Schoß und stellte es beiseite. Sie setzte sich zu Diana auf die Bettkante und streichelte ihr über die Wange. »Markus hat dich gestern ganz schön zugerichtet. Mit ein bisschen Schminke bekommen wir das aber wieder hin.« Sie strich Dianas Haar hinter die Ohren und ihr Blick schien sich in der Ewigkeit zu verlieren. »Du bist entzückend, schade, dass heute Abend vielleicht nichts mehr davon übrig ist.« Lady sprang vom Bett auf und tanzte durch den Raum.
Dianas Körper verkrampfte sich, Angst stieg in ihr auf, vor dem, was der Tag bringen mochte, und dem Wahnsinn, dem die Entführerin anheimgefallen war.
Lady machte eine Pirouette und einen Knicks, als bedanke sie sich bei einem imaginären Publikum für den Applaus. »Ich hab in meiner Kindheit Ballett getanzt.«
Dianas Kiefer zitterte und die Zähne klapperten aufeinander. Sie rang um Fassung, wollte nicht die Schwäche zeigen, die sie befiel. Sie lächelte gezwungen. »Das sieht man, du bewegst dich sehr grazil.«
Sie stürmte auf Diana zu, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie durch. Dianas Kopf schlug vor und zurück, ihr Nacken knackte, die Haare flogen ihr in die Stirn.
Lady lachte. »Und heute Abend wirst du tanzen, mein Schatz. Wie eine Puppe wirst du durch den Raum schweben und die Massen begeistern. Was danach kommt, liegt nicht in meiner Hand. Ich drück die Daumen, dass du den Richtigen bekommst.«
Diana wollte sie anschreien, ihr ins Gesicht schlagen und ihr die Augen auskratzen. Aber sie wusste, dass in wenigen Sekunden Unterstützung für Lady ins Zimmer stürmen würde. Also unterließ sie jegliche Versuche, sich gegen die verrückte Blondine zu wehren, die in Rätseln sprach und Dianas Meinung über die Menschheit ins Wanken brachte.
Sie war in ihrem Berufsleben vielen Gestörten begegnet, hatte sie studiert und aus ihnen gelernt. Nicht zuletzt hatte sie mit Tomas an ihrer Seite in der Praxis zu spüren bekommen, wie man sich fühlte, wenn man einem Serienkiller gegenüberstand. Jemand wie Lady war Diana allerdings noch nicht untergekommen. Die Schübe, die sie zwischen bester Freundin und Wahnsinniger schwanken ließen, jagten Diana Angst ein. Wenn sie in Ladys Augen blickte, fand sie dort nur Hass und Leid, keine Liebe, keine Wärme.
Wer war die Frau? Ebenfalls ein Opfer von Markus? Hatte man sie gequält und ihr eine Gehirnwäsche verpasst? Oder war Lady von Grund auf bösartig? Diana stellte sich vor, wie Lady als kleiner Dämon aus dem Schoß ihrer Mutter schlüpfte und sie bei lebendigem Leib auffraß.
Egal was oder wer du bist, bei der ersten Gelegenheit werde ich dich töten …
Lady ließ sie endlich los und ordnete sich das Haar. »Steh auf!«
Diana zuckte zusammen und gehorchte. Sie fühlte sich wie ein Hund, dem das Herrchen die ersten Lektionen erteilte.
Lady nahm Dianas Hand und ging mit ihr, Seite an Seite, aus dem Zimmer. »Wir müssen dich waschen, du stinkst wie ein Iltis.«
Diana achtete nicht auf sie. Ihr Blick wanderte über die weißen Kacheln, die nicht so makellos waren, wie Diana sie von
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