Das Mordgesindel (German Edition)
mitnimmst.« Er ließ von seinem Shirt ab und knackte mit den Fingerknöcheln. »Jetzt weißt du ja, warum ich dich unbedingt begleiten wollte. Ansonsten hab ich noch nie was mit dem Milieu hier am Hut gehabt.«
Ich seufzte. Wieder ein Tiefschlag. Sollte Snake ein notorischer Lügner sein, könnte es schwer werden, ihm auch nur ansatzweise zu vertrauen.
»Schwamm drüber.« Ich ging zum Bett und packte meine Sachen aus dem Koffer. Snake blieb wie angewurzelt stehen und ich merkte, wie er mich eingehend beobachtete.
»Was ist?«
Er fuhr sich durch das schwarze, ölige Haar und lächelte mich seltsam an. »Willst du den weiblichen Part übernehmen oder lieber ich …?«
Nach einer sich endlos hinziehenden Diskussion, wer von uns in unserer Beziehung die Frauenrolle übernahm – die zu keinem Ergebnis führte –, liefen wir Hand in Hand durch die Altstadt De Wallen . Am Tag sah man kaum etwas davon, dass hier nachts Frauen und Männer in den Fenstern standen und ihre Körper feilboten. Altbauten reihten sich aneinander, die eher wie Mehrfamilienhäuser aussahen und nicht wie Bordelle. Zwischendrin fiel mir der ein oder andere Sexshop auf oder auch Videotheken, von deren Ladenfronten aus mich vollbusige Schönheiten begrüßten. Ansonsten erinnerte nichts an das unflätige Treiben.
Die Gehwege waren vollgestopft mit Touristen und Einheimischen. Amsterdam schien ein wahrer Magnet zu sein. Eltern mit ihren Kindern liefen uns über den Weg, asiatische Reisende knipsten die Umgebung und zwielichtige Gestalten rannten mit gesenktem Kopf an uns vorbei. Wir fielen in der Masse unterschiedlichster Menschen nicht auf. Niemanden interessierte es, ob ein durchschnittlich aussehender Mann mit beginnendem Haarausfall und ein tätowierter, drahtiger Kerl mit gestyltem Haar Händchen haltend durch die Straßen schlenderten.
Snake blieb stehen und zeigte auf ein Café. »Bock auf Kaffee und Kuchen?«
Ich nickte und sah mich um. War es möglich, dass Diana in einem dieser Häuser festgehalten und gefoltert wurde? Ich atmete tief ein und folgte Snake. Wir setzten uns draußen an einen Tisch und warteten auf die Bedienung.
»Wat wilt u bestellen?« Ich zuckte zusammen, als sich eine brünette Frau mit blassem Gesicht über meine Schulter beugte.
Ich fing an zu stottern. Dass ich der niederländischen Sprache nicht mächtig war, hieß zwar nicht, dass ich sie nicht teilweise verstand, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Bestellung aufgeben sollte.
Snake mischte sich ein und orderte auf Englisch für uns beide jeweils einen Cappuccino und ein Stück Sahnetorte.
»Ganz schön warm hier.« Snake lehnte sich in den Korbstuhl zurück und wedelte sich mit der Speisekarte Luft zu. Seine Gesten wirkten ziemlich übertrieben.
»Es ist Juni. Also führ dich nicht auf wie eine Diva!« Ich warf ihm meine Serviette an den Kopf. »Ich denk, wir sollen uns unauffällig verhalten.«
»Mach ich doch.« Snake schmollte wie ein kleines Kind.
»Sag mal, wie alt bist du eigentlich? Du benimmst dich wie ein Teenager.«
»Mein Körper ist zweiunddreißig«, er tippte sich an die Stirn, »aber mein Geist ist um einiges jünger.«
»Das merke ich.«
Die Bedienung kam, stellte uns den dampfenden Cappuccino und die Tortenstücke auf den Tisch und wünschte uns einen guten Appetit, sofern ich sie richtig verstand. Snake stach mit der Gabel in den Kuchen und verharrte. Er hob den Kopf und sah mich unverwandt an.
»Was ist?«
»Das war unser erster Streit.« Er zwinkerte mir zu und fing an zu essen.
Innerlich schrie meine Vernunft, ich solle sofort aufstehen und den Kerl in die Gracht werfen, damit ich ungestört auf die Suche gehen könne. Ich stimmte ihr teilweise zu. Sollte sich in den nächsten Tagen herausstellen, dass Snake mehr eine Last denn eine Hilfe war, würde ich ihn fortschicken und allein weitermachen. Seine Späßchen gefielen mir nicht. Auch kannte er sich hier ebenso wenig aus wie ich. Wer oder was gab mir also die Garantie, dass sein Schmierentheater zum Erfolg führte?
Ich aß mein Stück Torte und trank den Cappuccino aus. Da hatte Holland Deutschland etwas voraus: Ich hatte noch nie einen derart schmackhaften Kuchen gegessen. Gekühlt, mit Kirschen gefüllt und nicht zu süß, genau, wie ich ihn mochte.
Snake und ich schwiegen uns nach dem Streit an und gönnten uns eine Zigarette, bevor wir uns wieder auf den Weg machen wollten.
Ein älterer Herr kam an unseren Tisch. »Habt ihr mal Feuer?« Ohne zu fragen,
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