Das Mordhaus (German Edition)
also setzte ich mich artig hin und ließ den Urin in das Porzellan plätschern.
»Willst du frühstücken?«, erklang es gedämpft hinter der Tür.
Vor Schreck wäre ich fast von der Schüssel gefallen. »Ähm, ja.«
»Kaffee oder Orangensaft?«
»Orangensaft.« Kaffee hatte ich gestern genug getrunken. Er hatte mich allerdings nicht davon abgehalten, in einen komatö sen Schlaf zu fallen.
Schritte hinter der Tür. Sie ging in die Küche. Ich wusch mir Hän de und Gesicht und ging dem Duft von einem ausladenden Früh stück entgegen. Diana saß am Küchentisch und lächelte mich an.
»Ich dachte schon, ich müsste einen Krankenwagen rufen. Du hast geschlafen wie ein Toter.« Sie grinste breit. »Ich habe sogar um dich herum staubgesaugt, nichts, keine Regung.«
»Ich glaube, das hatte ich nötig.« Ich setzte mich und bediente mich an den aufgebauten Köstlichkeiten. Ich schlang ein Brot nach dem anderen in mich hinein. Belegt mit Wurst, Käse oder Marmela de, alles fand in Windeseile den Weg in meinen Magen. Diana schwieg und schaute mir bei meiner Völlerei zu. Sie aß nichts, wahr scheinlich hatte sie bereits gefrühstückt. Als ich den letzten Bissen geschluckt und mit Saft nachgespült hatte, legte sie die Ellenbogen auf den Tisch und starrte mich an. Ich fühlte mich für einen kurzen Moment unwohl.
»Steht unser Plan noch, oder hast du deine Meinung in deinem Dornröschenschlaf geändert?«, fragte sie.
Deshalb ihr durchdringender Blick. Sie befürchtete, ich könnte einen Rückzieher machen.
»Es bleibt dabei. Ich lasse mich heute von der Arbeit freistellen, be vor ich eine Gefahr für mich oder andere werde.« Ich nahm noch einen Schluck Saft. »Aber wieso erst nach dem Geburtstag meiner Mutter?«
»Stell dir vor, Schroer steckt dich umgehend in eine Anstalt, oder du bist danach so deprimiert, dass du deiner Mutter den Geburtstag versaust. Willst du das?«
Ein etwas fadenscheiniger Grund, jedoch eine Erklärung für ih ren Vorschlag. Gestern hatte ich es auch nicht verstanden. Wahrschein lich hatte Diana – wie so oft in letzter Zeit – recht und es stand mir nicht zu, meine Familie durch mein Fehlen erneut zu verletzen. Ich hoffte, dass ich den heutigen Tag überstehen wür de, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Vielleicht half es, alles so lange zu verdrängen, bis ich Zeit hatte, es zu ver arbeiten. Einfach die Ge danken in eine Kiste stecken, abschließen und den Schlüssel bis heu te Abend wegwerfen.
»Ich brauche deine Hilfe, um das zu überstehen«, sagte ich.
Sie stand auf, ging um den Tisch und setzte mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. »Worauf du dich verlassen kannst!«
Nachdem ich ihr geholfen hatte abzuräumen, fuhr ich nach Hause, um zu duschen und mir frische Sachen anzuziehen. Wir verblieben dabei, dass ich sie wie geplant um halb vier abholen würde.
Die Stille meiner Wohnung machte mich beinahe wahnsinnig. In jedem Winkel schienen sich Tote zu befinden, die mir etwas zuflüs terten, was ich nicht begriff. Ich ließ sie verstummen, in dem ich Fernseher und Radio auf volle Lautstärke aufdrehte. Dröhnender Lärm erfüllte meine Wohnung, während ich duschte und mich her ausputzte. Selbst die Geister der Verstorbenen ver mochten mich nun nicht mehr zu stören. Ich konzentrierte mich auf die bevorstehenden Stunden. Auf das Wiedersehen mit mei ner Familie, dem Date mit Diana. Anke, Jenny, Hermann und die Opfer unseres Killers ver drängte ich in die hintersten Winkel meines Gehirns, wo sie darauf lauerten, auszubrechen und mir den Verstand zu rauben.
Die Zeit, bis ich Diana abholen konnte, vertrieb ich mir vor der Flimmerkiste. Ich zappte von einem Sender zum anderen – um diese Uhrzeit lief nichts Ordentliches. Alle paar Sekunden sah ich auf die Uhr. Ich konnte es kaum erwarten, mich in Gesellschaft anderer Menschen zu begeben. Der Plan von Diana und mir, mich von der Arbeit freistellen zu lassen, kam mir jetzt absurd vor. Wie sollte ich Wochen oder gar Monate ohne Arbeit aushal ten? Jeden Tag Einsam keit fristend vor der Glotze sitzen und Däumchen drehen? Wo sollte das hinführen?
Wieder ein Blick auf die Uhr. Endlich, bald konnte ich losfah ren, der Zeiger stand auf drei Uhr. Ich beschloss, dass ich mich schon mal fertigmachen konnte. Fünf Minuten später saß ich an gezogen und zurechtgemacht wieder vor dem Fernseher und trommelte mit den Fingern auf den Couchtisch. Die Zeit verging quälend langsam. Mein Handy klingelte. Ich sprang von der Couch auf
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