Das Mordhaus (German Edition)
jetzt wohnte und sah schon von Weitem Einsatzfahrzeuge der Kriminalpolizei.
»Da hat Schroer aber Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt«, sagte Diana und gab mir mein Handy zurück.
Wortlos hielt ich den Wagen an und stieg aus. Die halbe Kriminal polizei schien sich vor dem Wohnhaus meiner Schwester versam melt zu haben. Unter all den bekannten Gesichtern fand ich Schroer.
»Da sind Sie ja!« Er kam mit besorgtem Ausdruck auf mich zu.
»Sind sie da?« Ich ging an Schroer vorbei und wollte zum Haus.
Er hielt mich am Arm fest. »Sie sind nicht da. Wir haben mehr mals geklingelt. Als niemand öffnete, haben wir die Tür aufge brochen. Beamte der Spurensicherung nehmen gerade die Woh nung unter die Lupe.«
»Wurden Anzeichen eines Kampfes gefunden?«
Schroer zuckte mit den Schultern. »Die Beamten sind erst seit ein paar Minuten in der Wohnung. Sie haben noch nichts gemel det. Be ruhigen Sie sich, Ratz.«
»Ich soll mich beruhigen?«, herrschte ich ihn an. »Meine Schwester und meine Nichte schweben womöglich in Lebensge fahr und mein Schwager ist vielleicht der Schlitzer! Und da soll ich ruhig bleiben?«
Diana legte einen Arm um meine Hüfte. Ich hatte nicht be merkt, dass sie neben mir stand.
»Komm, wie setzen uns auf die Mauer da vorne«, sagte sie und zog mich mit sich.
Willenlos und mit hängendem Kopf ließ ich mich von ihr füh ren. Auch wenn ich kurz vor dem Abgrund zum Wahnsinn stand, war es dennoch erstaunlich, wie viel die menschliche Psy che aushielt. Wenn man bedachte, was ich die letzten Tage erlebt hatte, war es eine Meisterleistung, nicht durchzudrehen. Aller dings wusste ich im tiefsten Innern, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich zusam menbrechen würde.
Schroer war uns gefolgt. Er stand mit einem Notizblock in der Hand vor mir. »Wissen Sie, wo Ihr Schwager wohnt?«
Gut, dass immerhin unser Chef in der Lage war, einen klaren Kopf zu behalten. Was war naheliegender, als meinem Schwager einen Be such abzustatten?
»Ich denke, er wird noch in dem ehemals gemeinsamen Haus wohnen.«
»Geben Sie mir die Adresse, Ratz. Ich lasse sie überprüfen.«
Ich gab sie ihm und steckte mir eine Zigarette an, während Schro er per Handy die Adresse kontrollierte. Diana bot ich ganz automa tisch eine an. Sie nahm sie und wir saßen paffend auf der Steinmau er. Bei jedem Zug dachte ich: Und wieder eine Sekun de weniger, die meine Schwester und meine Nichte vielleicht noch zu leben hat ten. Hoffentlich war alles ein Missverständnis und meine Spürnase hatte mich erneut fehlgeleitet, genauso wie bei Paul. Die Hoffnung starb zuletzt. Mein Handy kündigte eine SMS an. Fordernd sah ich zu Diana.
»Ich habe es dir im Auto wiedergegeben«, sagte sie und zog an ih rer Kippe.
»Stimmt ...«, murmelte ich und kramte es aus meiner Jackenta sche. Die SMS war von Kerstin!
Hi, Tomas. Sorry, kann grad wieder nicht
telefonieren. Bin beim Friseur. Meld mich
später. Küsschen. HDL!
Beim Friseur? Jetzt? Niemals! Mal davon abgesehen, dass mei ne Schwester mit Sicherheit keinen Termin hatte, wenn ihre Mut ter Ge burtstag feierte, was sollte dieses HDL? Das es »hab dich lieb« be deutete, war selbst mir Techniklegastheniker klar, aber Kerstin be nutzte dieses Kürzel nie! Küsschen ja, HDL nie! Mir lief es eiskalt den Rücken runter.
Schroer hatte mittlerweile aufgehört zu telefonieren. Ich ging zu ihm.
»Er hat sie«, sagte ich und presste die Lippen aufeinander.
»Woher wissen Sie das?«
»Weil ich gerade eine SMS bekommen habe. Sie stammt zwar von Kerstins Handy, aber nie und nimmer hat sie sie geschrie ben.« Ich rieb mir die Augen. »Ich befürchte, dass unser Mörder sie schon seit gestern hat.«
»Wieso kommen Sie darauf?«
»Ich bekam gestern auch eine SMS von ihr, dass sie nicht telefonier en könne, als ich sie anrief. Dasselbe heute wieder.«
Dass meine Schwester mir per Kurznachricht geantwortet hat te, kam mir nicht komisch vor. Im Nachhinein schwankte meine Mei nung von gestern. Hätte sie nicht versucht, mich nach dem Arztbe such anzurufen? Jetzt, da wir endlich wieder Kontakt hat ten? Und dieser Friseurbesuch zu einer unpassenden Zeit samt dem ominösen HDL? Abermals durchfuhr mich ein Schauer. Hat te ich mit dem Mörder SMS ausgetauscht? Lachte er sich dabei ins Fäustchen, wäh rend meine Schwester und meine Nichte in Lebensgefahr schweb ten? Mein Verstand schien seine alte Form zurückzuerhalten. Die Geister der Verstorbenen verschwanden und machten Platz für das
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