Das Moskau-Spiel
Verstärkung? »Gebt die Kennzeichen und die Beschreibungen der Autos an alle Kontrollstationen der Stadt. Und sagt die Kennzeichen und Beschreibungen immer wieder durch, damit nicht irgendein Trottel es verpasst. Und lasst euch den Befehl bestätigen.«
Dann war Oberst Kusnezow im Funk. Er ließ sich berichten, stutzte kurz, als Eblow ihm das Verwirrspiel schilderte, schien sogar einmal trocken zu lachen als Zeichen, dass er so etwas eher lustig fand und nicht verstand, was das Theater bringen sollte, wenn man den Kerl sowieso spätestens in Scheremetjewo erwischen würde. Das wäre zwar ungünstig. Aber es war ein Notfall, da musste man auch einen Rüffel des Politbüros wegstecken. »Wir haben in Scheremetjewo zwei Einsatzkommandos, sie werden weiter verstärkt. Sie sollten sich nachher auch dort hinbegeben, Genosse Major. Ich fahre jetzt dorthin. Sie halten mich auf dem Laufenden. Ende.«
Ein sechster Wagen, wieder ein Mercedes-Benz, fuhr gemächlich auf die Straße, ein Mann, eine Frau, aber kein Martenthaler. Sie notierten das Kennzeichen.
»Am liebsten würde ich jeden einzelnen Wagen stoppen und durchsuchen«, fluchte Bogdanow.
»Genau, wir durchsuchen ein Auto mit CD – Schild mitten im Verkehrstrubel. Sie wissen, Genosse, dass diese Autos exterritorial sind, da fährt gewissermaßen die BRD in Blechteilen auf unseren Straßen umher. Wir legen übrigens Wert darauf, dass die westdeutsche Po lizei unsere Diplomatenautos ebenfalls in Ruhe lässt.« Eblow knurrte, dies aber weil sie eigentlich nur alles falsch machen konnten. Sollten sie sechs Autos mit CD – Plakette anhalten und durchsuchen? Sollten sie sechs Unfälle provozieren, um wenigstens einen Vorwand zu haben, die Wagen zu durchsuchen? Es war zum Kotzen.
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Theo trieb sich in der Innenstadt herum, trank einen Kaffee im GUM , betrachtete die Auslagen und eine kleine Ausstellung, die ein Schmuckgeschäft aus Werbegründen vor dem Eingang auf einem Glastisch aufgebaut hatte: sowjetische Flugzeuge und Raumtechnik, Puppen in Raumanzügen. Er fühlte sich mies, hatte ein flaues Gefühl im Magen und sagte sich immer wieder, dass sein Scheitern gewiss sei, denn wer sich auf einen Kriminellen ein- und verlassen müsse, der sei von vornherein verloren. Er sah aus einem Fenster zum Mausoleum, die Schlange wand sich um das Gebäude herum, der Eingang zeigte zur Kremlmauer, der Ausgang war seitlich angebracht. Was hinten hineinströmte, strömte an der Seite hinaus. Alles um einen kleinen Mann zu sehen, der in Wahrheit nichts mehr mit dem Menschen zu tun hatte, den er darstellte. Als noch drei Minuten zur vollen Stunde fehlten, ging Theo los. Zügig marschierte er zum Mausoleum, um sich hinten in der Schlange einzureihen. Sobald er die Schlange erreicht hatte, stellte sich ein Mann neben ihn. Er war klein, hatte eine schwarze Russenmütze auf, die ein hageres Gesicht mit einem schwarzen Schnurrbart und schwarze Augen frei ließ. Auch er schien aus dem Süden Russlands zu stammen.
»Wir haben einen gemeinsamen Freund«, sagte der Mann mit Raucherstimme.
»Sie meinen den Herrn vom Kasaner Bahnhof«, sagte Theo und fragte sich, ob der Typ nicht eher vom FSB war. Aber es hatte keinen Zweck zu spekulieren. Es würde schon schiefgehen.
Der Mann steckte sich eine Zigarette an. »Sie reisen gern«, sagte er dann und hustete.
»Sehr gern«, sagte Theo.
»Gut«, sagte der Mann. »Das ist eine schöne Beschäftigung.«
»Ja. Und teuer.«
Der Mann lachte. »Wo wollen Sie hin?«
»Ins Ausland, einfach nur ins Ausland.«
Der Mann nickte und zog stark an seiner Zigarette. Er betrachtete die erkaltende Glut und sagte: »Wie gefällt Ihnen Finnland?«
»Gut, aber auch nicht besser als Georgien.«
»Sie wollen einfach nur verreisen.« Dann sagte er noch: »Der Weg ist das Ziel.«
»Wenn er über die Grenze führt.«
»Gut, Sie verstehen, dass wir Vorbereitungen treffen müssen. Dazu benötigen wir eine Anzahlung.«
»Ich habe Bargeld und eine Kreditkarte. Die kann ich mit tausend Euro am Tag belasten.«
»Das wird nicht genügen.«
»Gut, ich werde prüfen, ob die Kreditkartenfirma hier eine Filiale hat, und versuchen, das Limit erhöhen zu lassen.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte er und trat nach einem letzten Zug die Zigarette aus. Er schaute sich um, und dann war er plötzlich verschwunden. Theo blickte in alle Richtungen, dann sah er sie. Es waren zwei uniformierte Polizisten, die sich der Warteschlange näherten. Der eine hatte ein Funkgerät
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