Das muss Liebe sein
die Tatsache, dass er harte, geschmeidige Muskeln hatte wie ein Dressman für Unterwäsche und dass er küsste wie einer, der selbst die unterkühlteste Frau aus ihren Stützstrümpfen locken konnte. »Joe Shanahan ist arrogant und unverschämt, und ich habe ihn am Hals, bis Kevin aus diesem ganzen lächerlichen Blödsinn raus ist«, schloss sie und fühlte sich innerlich gereinigt. Ausnahmsweise einmal waren Gabrielles Probleme gewichtiger als die ihrer Freundin.
Francis schwieg eine Weile, gab dann ein leises Murmeln von sich und schob sich die rosa Sonnenbrille höher auf die Nase. »Und wie sieht dieser Typ aus?«
Gabrielle wandte ihr Gesicht der Sonne zu. Sie schloss die Augen und sah Joes Gesicht vor sich, seine wachen Augen und dichten Wimpern, die sinnlichen Konturen seines Mundes und die perfekte Symmetrie seiner ausgeprägten Stirn, der geraden Nase und des kräftigen Kinns. Sein dichtes braunes Haar kräuselte sich leicht an den Ohren und im Nacken und ließ seine kraftvollen, männlichen Züge etwas sanfter erscheinen. Er roch einfach wunderbar. »Er ist nichts Besonderes.«
»So ein Pech. Wenn ich gezwungen wäre, mit einem Bullen zusammenzuarbeiten, dann hätte ich gern einen von diesen muskelbepackten Kalender-Typen.«
Womit sie, Gabrielles Meinung nach, Joe ziemlich treffend beschrieben hatte.
»Ich würde ihn schwere Kisten tragen lassen, damit er ordentlich schwitzt«, spann Francis ihre Fantasie weiter. »Und ich würde mir seinen stahlharten Hintern anschauen, wenn er sich bückt.«
Gabrielle verzog das Gesicht. »Ich schaue aber lieber in die Seele eines Mannes. Sein Äußeres ist mir nicht wichtig.«
»Weißt du was? Das habe ich dich schon so oft sagen gehört, und wenn es stimmt, dann wüsste ich gern, warum du nie mit deinem alten Freund Harold Maddox geschlafen hast.«
Das war ein Punkt für Francis, aber nie im Leben hätte Gabrielle zugegeben, dass das Äußere genauso wichtig ist wie die Essenz der Seele eines Mannes. Das Äußere zählte nun mal nicht. Ein geistig hoch entwickelter erleuchteter Mann wirkte entschieden erotischer als ein Höhlenmensch. Das einzige Problem war nur, dass die Sache mit der körperlichen Attraktivität manchmal durchaus störend war. »Ich hatte meine Gründe.«
»Ja, zum Beispiel, dass er langweilig war und einen fransigen Pferdeschwanz trug und jeder ihn für deinen Vater hielt.«
»So alt war er nun auch wieder nicht.«
»Wenn du meinst.«
Gabrielle hätte einiges zu Francis' Auswahl an Männern und Ehemännern bemerken können, unterließ es aber lieber.
»Mich wundert es nicht übermäßig, dass Kevin in Verdacht geraten ist«, sagte Francis. »Manchmal ist er schon richtig heimtückisch.«
Gabrielle sah ihre Freundin stirnrunzelnd an. Francis und Kevin waren kurze Zeit miteinander gegangen, aber mittlerweile bestand ihre Beziehung aus einer Art Hassliebe. Gabrielle hatte nie gefragt, warum sie sich getrennt hatten oder was passiert war; sie wollte es gar nicht wissen. »Das sagst du nur, weil du ihn nicht leiden kannst.«
»Kann sein, aber versprich mir trotzdem, dass du die Augen offen hältst. Du pflegst deinen Freunden zu oft blindlings zu vertrauen.« Francis stand auf und strich ihr Sommerkleidchen glatt.
Gabrielle war nicht der Meinung, dass sie blind vertraute, glaubte jedoch, dass das Vertrauen, das sie gab, dem Vertrauen entsprach, das man ihr entgegenbrachte. Wenn sie es nicht freizügig verschenkte, würde sie auch keines zurückbekommen. »Willst du gehen?«
»Ja, ich habe einen Termin mit dem Installateur. Dürfte interessant werden. Er hat einen tollen Körper, redet aber nicht viel. Falls er nicht allzu langweilig ist, lasse ich mich von ihm einladen. Dann kann er mir seine Rohrzange zeigen.«
Gabrielle äußerte sich wohlweislich nicht zu letzterer Bemerkung. »Könntest du bitte meinen Kassettenrekorder einschalten?«, fragte sie und deutete auf das veraltete Gerät auf dem Rattantisch.
»Ich verstehe nicht, dass du dir diesen Scheiß anhören kannst.«
»Du solltest es auch mal versuchen. Vielleicht findest du dann den Sinn des Lebens.«
»Na ja, ich höre lieber Aerosmith. Steven Tyler gibt meinem Leben einen Sinn.«
»Träum weiter.«
»Ha, ha«, sagte Francis, und das Klappen der Insektenschutztür verriet, dass sie gegangen war. Gabrielle überprüfte am Bikinisaum ihre Haut auf Anzeichen von Sonnenbrand, schloss dann die Augen und stellte Betrachtungen über ihre Verbindung mit dem Universum an. Sie suchte
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