Das muss Liebe sein
geflochtenen, mit Perlen verzierten Schnur an ihrem Knöchel. Die Ärmel ihres Hemds hatte sie bis zu den Ellenbogen aufgekrempelt, der Saum umspielte ihre nackten Knie. Soweit er es beurteilen konnte, trug sie außerdem kaum etwas, abgesehen von den Farbflecken in allen Schattierungen. »Ich muss mit dir reden«, sagte er und richtete den Blick wieder auf ihre stark geröteten Wangen.
»Jetzt?« Sie warf einen Blick hinter sich, als hätte er sie gerade in flagranti ertappt.
»Ja. Was treibst du eigentlich?«
»Nichts!« Aber sie wirkte verteufelt schuldbewusst.
»Neulich abends habe ich mit dir über deine Behinderung meiner Ermittlungen geredet, aber für den Fall, dass du mich nicht verstanden hast, wiederhole ich mich gern. Hör auf, Kevin zu decken!«
»Das tu ich nicht.« Das Licht in ihrem Rücken fing sich in ihrem Haar und schien durch ihr weißes Hemd hindurch, sodass ihre vollen Brüste und schmalen Hüften sich deutlich abzeichneten.
»Du hast eine Einladung zu seiner Party abgelehnt, die morgen stattfinden soll. Ich habe in unser beider Namen zugesagt.«
»Ich will aber nicht zu der Party. Kevin und ich sind Freunde und Geschäftspartner, aber wir pflegen keinen gesellschaftlichen Umgang. Ich war schon immer der Meinung, dass wir außerhalb der Arbeitszeit am besten getrennte Wege gehen.«
»Pech.« Joe wartete darauf, dass sie ihn ins Haus bat, doch das tat sie nicht. Stattdessen verschränkte sie die Arme und lenkte damit seine Aufmerksamkeit auf einen schwarzen Schmierstreifen auf ihrer linken Brust.
»Kevins Freunde sind so oberflächlich. Wir würden uns dort nicht wohl fühlen.«
»Wir gehen ja auch nicht hin, um uns wohl zu fühlen.«
»Du willst nach dem Monet suchen, stimmt's?«
»Ja.«
»Gut, aber du darfst mich nicht mehr küssen.«
Er verlagerte sein Gewicht auf die Fersen und sah Gabrielle unter gesenkten Lidern hervor an. Ihre Forderung war durchaus vernünftig, missfiel ihm aber mehr, als er je zugegeben hätte. »Ich habe dir doch geraten, es nicht persönlich zu nehmen.«
»Tu ich ja auch nicht, aber es passt mir nicht.«
»Was passt dir nicht? Mich zu küssen oder es nicht persönlich zu nehmen?«
»Dich zu küssen.«
»Quatsch, du bist dabei ganz anschmiegsam und atemlos.«
»Da irrst du dich.«
Er schüttelte den Kopf und sagte lächelnd: »Ich glaube nicht.«
Sie seufzte. »War das alles, was du von mir wolltest, Detective Shanahan?«
»Ich hole dich um acht Uhr ab.« Er wandte sich zum Gehen, sah sie aber über die Schulter hinweg noch einmal an. »Und … Gabrielle?«
»Ja?«
»Zieh dich sexy an.«
Gabrielle schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ihr war schwindlig und ein bisschen übel; sie hatte das Gefühl, Joe irgendwie heraufbeschworen zu haben. Sie atmete tief durch und presste eine Hand auf ihr rasendes Herz. Sein Auftauchen auf der Veranda zu just diesem Zeitpunkt war irgendwie ein unheimlicher Zufallstreffer.
Seit er am Nachmittag ihren Stand auf dem Festival verlassen hatte, spürte sie den überwältigenden Drang, ihn noch einmal zu malen. Dieses Mal umgeben von seiner roten Aura. Nackt. Als sie nach einem erfolgreichen Tag auf dem Coeur Festival heimkam, suchte sie unverzüglich ihr Atelier auf und bereitete eine Leinwand vor. Sie skizzierte und malte sein Gesicht und die festen Muskeln seines Körpers. Inspiriert von Vorstellungen von Michelangelos David hatte sie gerade angefangen, Joes Geschlechtsteile zu malen, als er klopfte. Sie öffnete die Tür und sah ihn dort stehen, und ein paar Augenblicke lang hatte sie gefürchtet, er könnte irgendwie wissen, was sie gerade getrieben hatte. Sie fühlte sich schuldig, als hätte er sie dabei erwischt, wie sie ihn im unbekleideten Zustand beäugte.
Sie glaubte nicht an Schicksalsfügungen. Sie glaubte fest an den freien Willen, konnte jedoch das Gefühl böser Vorahnungen nicht ignorieren, und ein Schauer rieselte ihr über den Rücken.
Gabrielle stieß sich von der Tür ab und ging ins Atelier. Was sie gesagt hatte, war ihr voller Ernst: keine Küsse mehr. Während es ihr entschieden leichter fiel, ihn anzulügen, als sie noch vor einer Woche angenommen hatte, konnte sie sich selbst nicht belügen. Aus Gründen, die sie nicht ermessen konnte, war es gar nicht so unangenehm, wenn sie Joe so nahe war, wenn sein Atem ihre Wange streifte und seine Lippen ihren Mund berührten. Nein, das war ganz und gar nicht unangenehm.
Gabrielle bestand darauf, dass Liebe offen und ehrlich
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