Das muss Liebe sein
und grinste, als gehörten Kevin und er einer geheimen Verschwörung an. »Aber ich glaube, ich kann sie wohl für ein paar Stunden hinhalten. Wann fängt deine Party an?«
»Um acht«, antwortete Kevin, schon auf dem Weg in sein Büro, und Joe war für die nächsten zwei Stunden zum Streichen der Wände verdammt. Nach Ladenschluss fuhr er zum Polizeirevier und las den Tagesbericht über den Raub bei Hillard durch. Seit dem Morgenappell hatte sich im Hinblick auf neue Informationen nicht viel getan. Kevin hatte sich zum Mittagessen in einem Restaurant in der City mit einer nicht identifizierten Frau getroffen. Er hatte Partybedarf eingekauft und dann irgendwo angehalten, um etwas zu trinken. Ausgesprochen aufregend.
Joe erstattete Bericht über seine Unterhaltung mit Kevin und ließ Luchetti wissen, dass er zu Kevins Party eingeladen war. Dann nahm er einen Stapel Papierkram von seinem Schreibtisch und fuhr zu Sam nach Hause.
Zum Abendbrot grillte er ein paar Rippchen und aß den Makkaronisalat, den seine Schwester Debbie im Kühlschrank hinterlassen hatte, während er seiner Arbeit nachgegangen war. Sam saß auf dem Tisch neben seinem Teller und weigerte sich, sein Vogelfutter und die Babymöhren zu fressen.
»Sam liebt Joe.«
»Meine Rippchen kriegst du nicht.«
»Sam liebt Joe – braack.«
»Nein.«
Sam blinzelte mit seinen schwarzgelben Augen, hob den Schnabel und imitierte das Klingeln des Telefons.
»Darauf falle ich schon seit Monaten nicht mehr herein.« Joe spießte mit der Gabel ein paar Makkaroni auf und kam sich vor, als würde er ein zweijähriges Kind mit einer Eiswaffel reizen. »Der Tierarzt sagt, du sollst weniger fressen und dich mehr bewegen, sonst kriegst du Probleme mit der Leber.«
Der Vogel flog auf seine Schulter und legte seinen gefiederten Kopf an Joes Ohr. »Hübsches Vögelchen.«
»Du bist fett.« Während des Essens blieb er standhaft und fütterte Sam nicht, doch als der Vogel einen von Joes Lieblingssprüchen aus einem Clint-Eastwood-Film imitierte, ließ er sich erweichen und gab Sam ein paar Bröckchen von Ann Camerons Käsekuchen. Sie hatte nicht übertrieben, der Kuchen war wirklich gut, also war Joe ihr wohl einen Kaffee schuldig. Er versuchte, sich an Ann als Kind zu erinnern, und sah verschwommen ein Mädchen mit Nickelbrille vor sich, das im Haus seiner Eltern auf einem mit smaragdgrünem Samt bezogenen Sofa saß und ihn anstarrte, während er auf ihre Schwester Sherry wartete. Damals musste sie zehn Jahre alt gewesen sein, sechs Jahre jünger als er. Also war sie ungefähr so alt wie Gabrielle.
Der Gedanke an Gabrielle verursachte ihm einen dumpfen Kopfschmerz. Mit Daumen und Zeigefinger massierte Joe seinen Nasenrücken und zerbrach sich den Kopf darüber, was er von ihr zu halten hatte. Er hatte nicht die geringste Ahnung.
Als die untergehende Sonne das Tal in Zwielicht badete, setzte Joe Sam in seinen Vogelbauer und legte Dirty Harry in den Videorekorder ein. Abgesehen von Jerry Springers Too Hot For Television war dieser Film so ziemlich der Einzige, den Sam mochte. In der Vergangenheit hatte Joe versucht, seinem Vogel Disney-Filme oder die Sesamstraße oder eine der Lernkassetten, die er gekauft hatte, schmackhaft zu machen. Doch Sam fuhr auf Jerry ab, und wie die meisten Eltern gab Joe häufig nach.
Er fuhr zu dem kleinen Backsteinhaus am anderen Ende der Stadt und stellte seinen Wagen am Straßenrand ab. Über der Haustür leuchtete ein rosafarbenes Lämpchen. Wenige Abende zuvor war die Veranda grün beleuchtet gewesen. Joe überlegte, ob das eine Bedeutung haben könnte, kam aber zu dem Schluss, dass er es wohl lieber nicht wissen wollte.
Ein Eichhörnchenpaar huschte über den Rasen und den Gehweg und flitzte die raue Rinde einer uralten Eiche hinauf. Auf halber Höhe hielten die Tierchen inne, sahen Joe verärgert an, und ihre Schwanzenden zuckten. Ihr aufgeregtes Gekreische drang ihm an die Ohren; er wurde lauthals beschimpft, als wäre er so gemein gewesen, ihnen ihren Wintervorrat zu klauen. Er mochte Eichhörnchen noch weniger als Katzen.
Joe klopfte dreimal an Gabrielles Tür, bevor sie geöffnet wurde. Gabrielle stand vor ihm, sie trug ein großes weißes Hemd, das bis zum Hals zugeknöpft war. Ihre grünen Augen weiteten sich, ihr Gesicht lief puterrot an.
»Joe! Was willst du hier?«
Bevor er ihre Frage beantwortete, musterte er sie gründlich, von den rotbraunen Locken, die zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst waren, bis zu der aus Hanf
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