Das muss Liebe sein
Sofalehne bis zu den afrikanischen Kunstgegenständen wandern, die den Raum bevölkerten. Auch Kevin hätte eine Lektion dieser Art dringend nötig gehabt.
Als Kevin zurückkam, stellte er Joe und Gabrielle seinen Freunden vor, einer Clique von Unternehmern, die in Gabrielles Augen entschieden mehr Sorge auf den Zustand ihrer Bankkonten verschwendeten als auf ihren Bewusstseinszustand. Joe nahm den Arm nicht von Gabrielles Schultern, als sie einem Mann, der eine Kette erfolgreicher Cafes besaß, und seiner Gattin die Hände schüttelten. Andere verkauften Vitamine, Computer oder Immobilien, und allem Anschein nach fuhren sie sehr gut damit. Kevin stellte sie seiner Freundin China vor, die, wie Gabrielle hätte schwören können, bei ihrem letzten Zusammentreffen noch Sandy geheißen hatte. Welchen Namen auch immer sie jetzt trug, sie war jedenfalls nach wie vor zierlich, blond und makellos, und Gabrielle verspürte einen übermächtigen Drang, in sich zusammenzukriechen.
Neben China stand ihre gleichfalls sehr schöne und zierliche Freundin Nancy, die sich nicht einmal den Anschein gab, als könnte sie Interesse aufbringen für irgendetwas, was Gabrielle womöglich sagen würde. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Mann, der Hüfte an Hüfte mit Gabrielle stand. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Joe vor Vergnügen die Mundwinkel zu einem wohlgefälligen Lächeln verzog. Sein Blick streifte Nancys Busen, und er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. Seine warme Hand glitt von Gabrielles Schultern über ihren Rücken, dann schob er beide Hände in die Hosentaschen, und der Körperkontakt war vollends unterbrochen.
Gabrielle hätte froh sein sollen. Sie war auch froh. Sie fühlte sich im Stich gelassen und noch ein bisschen darüber hinaus. Sie fühlte etwas Unangenehmes, ähnlich wie Eifersucht, konnte jedoch unmöglich eifersüchtig sein, weil a) Joe nicht ihr richtiger Freund war, weil er ihr b) gleichgültig war und weil sie c) nicht auf unerleuchtete Männer stand.
Kevin sagte etwas, was Joe offenbar witzig fand, denn er legte den Kopf ein wenig in den Nacken und lachte, wobei er ebenmäßige weiße Zähne und einen glatten gebräunten Hals vorzeigte. Fältchen erschienen in seinen Augenwinkeln, und der tiefe, weiche Ton seines Lachens berührte sie tief im Innern und ließ sich in ihrer Brust nieder.
Noch jemand sagte etwas, und alle lachten. Alle außer Gabrielle. Sie war nicht der Meinung, dass es irgendetwas zum Lachen gäbe. Nein, dieser kleine Stich unter ihrem Brustbein war wahrhaftig nicht witzig, auch nicht die weiß glühenden anarchistischen Empfindungen, die durch ihre Adern schossen und ein körperliches Begehren weckten, das sie unmöglich ignorieren konnte.
11. KAPITEL
Gabrielle biss in einen Spargel und warf einen Blick auf die silberne Uhr an ihrem linken Handgelenk. Halb zehn. Ihr kam es bedeutend später vor.
»Wenn du nicht Acht gibst, stiehlt Nancy dir deinen Mann.«
Gabrielle sah über die Schulter hinweg Kevin an, dann kehrte ihr Blick wieder zu dem Undercover-Polizisten zurück, der ganz offensichtlich vergessen hatte, dass er angeblich eine Freundin hatte und dass er eigentlich Mr. Hillards Monet aufspüren sollte.
Sofern Nancy das Gemälde nicht unter ihrem Kleid versteckt hatte, würde Joe es wohl kaum finden. Er stand am anderen Ende des Raums, den Unterarm auf die Bar gelegt, in der Hand ein halb leeres Glas. Sein Kopf neigte sich seitlich Nancy zu, als wollte Joe sich um nichts in der Welt auch nur eines der faszinierenden Worte entgehen lassen, die von den roten Lippen der Frau tropften. »Da bin ich gänzlich unbesorgt.« Gabrielle griff nach einer Scheibe gebackenen Brie auf Baguette.
»Du solltest dir aber Sorgen machen. Nancy spannt mit Vorliebe anderen Frauen die Freunde oder Ehemänner aus.«
»Wie ist der Laden heute gelaufen?«, fragte sie, absichtlich das Thema wechselnd, und wandte Kevin ihre volle Aufmerksamkeit zu.
»Wir haben ein paar Stücke von dem Korallenschmuck verkauft und diesen großen Picknickkorb. Insgesamt haben wir etwa vierhundert Dollar eingenommen. Für Juni nicht schlecht.« Er zuckte mit den Achseln. »Und wie ging es dir mit deinen Ölen?«
»Ich war schon gegen zwei Uhr so gut wie ausverkauft. Lediglich ein paar Flaschen Sonnenschutz blieben übrig, und da habe ich eingepackt und den Rest des Tages zu Hause mit Malen und Faulenzen verbracht.«
Sie nahm einen Bissen von ihrem Baguette und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Jetzt
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