Das Mysterium der Zeit
Stunde des großen Beutezugs gekommen: Im Haus der drei sonderbaren Individuen, ob sich unter |442| ihnen nun der slawonische Mönch befand oder nicht, wartete vielleicht der Schatz von Philos Ptetès auf uns.
»Oh, welch ein Schmerz! Helft mir!«
Der Hilferuf war aus Naudés Mund gekommen. Mazarins Bibliothekar hatte einen falschen Schritt getan, war gestürzt und rieb sich nun den Knöchel.
Kemal, Barbello und Malagigi kamen ihm sofort zu Hilfe. Der Unglückliche hatte sich das Fußgelenk verstaucht.
»Oh, das tut so weh! Der Knöchel ist gebrochen, ich spüre es!«, jammerte Naudé.
»Soll er sich den Fuß selbst amputieren! In Latein und Griechisch ist er eine Katastrophe, aber in Medizin ist er ja fast promoviert, haha!«, lachte Schoppe, vorübergehend auf eigenen Beinen stehend.
Die erzwungene Pause war erfüllt von Naudés lauten Schmerzensschreien. Unterstützt von Barbello und Pasqualini, die den erregten Bibliothekar festzuhalten versuchten, betasteten Kemals grobe Pranken ihn hier und da, um die verletzte Stelle zu finden.
»Ich flehe Euch an, nicht dort! Das schmerzt unerträglich!«, heulte der Unglückliche, der nicht stillhalten und ein würdevolles Benehmen wahren konnte. »Ihr wollt mir doch nicht etwa einen Fuß amputieren?«
»Mit der Amputation könnt Ihr auch zwischen den Beinen beginnen. Vertrocknete Äste werden am besten sofort herausgerissen«, brüllte Caspar Schoppe von weitem, entzückt über die Leiden seines Rivalen.
»Wenn du an der Reihe bist«, schlug Guyetus vor, »amputieren wir das gespaltene Stück Fleisch, das du im Mund hast. Diese Operation wird allen guttun.«
»Was kann man schon von einem erwarten, der aus purem Eigennutz katholisch geworden ist! Au, das reicht, ich bitte Euch!« Von Kemals Untersuchung seines Fußes kaum beeinträchtigt, schlug der Bibliothekar gegen Schoppe zurück.
»Ach, diese Landratten!«, stöhnte Kemal. »Alle zimperlich und feige. Mit eigenen Augen sah ich, wie Ali Rais sich die Nägel aus dem Fleisch zog, die eine Arkebuse ihm in beide Beine geschossen hatte. Er zog sie mit den Fingern heraus, ohne ein Wort. Und du jammerst wegen eines verstauchten Knöchels?«
|443| »Gabriel, mein Lieber, ich habe im zarten Alter von dreiundzwanzig Jahren über einen Monat lang überlegt, bevor ich den großen Schritt gemacht und mich zum einzigen Glauben bekehrt habe, dem der heiligen römischen Kirche, und ich muss wahrhaftig niemandem beweisen, dass es eine selbstlose Entscheidung war«, erklärte der alte Deutsche, nun schon weniger amüsiert.
»Ach komm schon, alle wissen, dass du danach gegiert hast, ein gedungener Spion zu werden, und nur dank deiner Konversion hat Kaiser Ferdinand von Österreich dich endlich angestellt«, erklärte Guyetus.
»Ich vergebe dir, weil du als guter Philologe keine Ahnung von Politik hast«, erwiderte Schoppe.
»Auch du hast die klassische Antike studiert, Caspar.«
»Ja, aber Caspar ist kein Philologe«, verbesserte ihn Naudé. »Sofort nachdem er katholisch wurde, hat er aufgehört, sich mit Texten des Altertums zu beschäftigten, denn bis dahin hatte er nur Ausgaben und Kommentare lutherischer oder calvinistischer Autoren benutzt, und nach seinem Religionswechsel war ihm das peinlich, hihi, au, oh!«, schloss er mit einer Reihe von Lachern und Schmerzensschreien, die Kemals Hantieren an seinem Fuß ihm entlockten.
»Im Übrigen munkelte man immer, dass er sein erstes Buch bei anderen abgeschrieben habe«, setzte Guyetus grinsend hinzu. »Es waren zwei Bücher mit kritischen Anmerkungen zu Symmachus, Apuleius und Petronius, über die
Priapea
, Properz, Lukrez und Terentius, nicht wahr? Voll mit Ausdrücken der Bewunderung über sich selbst, natürlich: Caspar ist nur dann wirklich glücklich, wenn er sich im Spiegel betrachten kann oder Bücher liest, die er selbst geschrieben hat, haha!«
»Und nur ich soll mit gespaltener Zunge reden, was?«, knurrte Schoppe.
»Aber deine ist unschlagbar«, stichelte Guyetus. »Erinnerst du dich an Gifanius, diesen tüchtigen Professor aus Ingolstadt, der dich dank einer Empfehlung von Freunden in seinem Haus aufnahm? In der Bibliothek von Gifanius hast du heimlich eine Handschrift mit Dutzenden Bemerkungen über die Sprache des Symmachus kopiert und sie dann unter deinem Namen veröffentlicht. Als Gifanius protestierte, hast du ihn mit Beleidigungen überhäuft und gesagt, die Handschrift stamme selbst aus einem Diebstahl.«
|444| »Ich habe kein einziges Buch von
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