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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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nahmen wir unsere Wanderung wieder auf, anscheinend in den Unglücksfall ergeben, doch leicht ließen sich tausenderlei stumme Fragen in den Blicken lesen, und man hörte, wie zwischen Naudé und Schoppe, Schoppe und Guyetus, Guyetus und Hardouin blitzschnell zweifelnde Bemerkungen ausgetauscht wurden, während Kemal weiter |440| vorn ging. Nicht einmal mit einem groben, gequälten Stammeln hatte er seiner Scham darüber Ausdruck verleihen können, dass er das grausamste aller Schicksale heraufbeschworen hatte
    »Na? Er hat es absichtlich getan, oder?«, flüsterte Schoppe, an meine Seite eilend.
    »Das lässt sich unmöglich beweisen«, gab ich zu. »Ich selbst wäre fast hinuntergestürzt, wie ich Euch schon erzählte. Dort oben am Saum der Klippe genügt ein kleiner Stoß und man fällt. Ich kam an, als es schon geschehen war.«
    »In welcher Stimmung war er, als er entdeckt wurde?«
    »Er lachte, aber nur mit dem halben Gesicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Meiner Meinung nach war es das Lachen eines Menschen, der den Verstand verloren hat«, erklärte ich. »Die andere Gesichtshälfte sah schaurig aus. So einen Ausdruck habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.«
    Schoppe und ich sahen uns einen Augenblick an.
    »Er hat ihn umgebracht«, schloss er finster.

DISKURS LXIII
    Darin man mühsam, mit Stöcken bewaffnet, vorankommt.
    Die dramatischen Ereignisse hatten allen vorerst die Lust genommen, weiter über Galileo zu sprechen. Nachdem wir eine längere Strecke bergauf zurückgelegt hatten, verließen wir die parallel zu den Klippen verlaufende Hauptstraße und drangen in den Wald ein, wo wir einen schmalen Serpentinenpfad einschlugen, der eigens angelegt schien, um nicht gesehen zu werden. Die drei Insulaner führten uns sicheren Schrittes durch die dichte Vegetation und über Unebenheiten des Bodens. Auch wenn sich zwischen Blättern und Zweigen ein Spalt auftat, hatte man doch nie Gelegenheit, den unbekannten Teil der Insel oder gar die Stadt zu erblicken.
    »Verflixt!«, fluchte Naudé, ungeduldig den Hals über Büsche und Sträucher reckend. »Diese Insel scheint so angelegt, dass man nie sieht, was sich auf der anderen Hälfte befindet.«
    |441| »Du willst sagen, ob die andere Hälfte überhaupt existiert«, verbesserte Schoppe ihn sarkastisch.
    »Es gibt keine halben Inseln«, bemerkte Naudé.
    »Halbe Wahrheiten schon«, sagte Schoppe mit einem Blick auf Kemal, der ihn wieder auf dem Rücken trug, und es war nicht klar, ob er sich auf den Korsar und Mustafas seltsamen Tod bezog oder auf Naudé.
    »Ich verstehe, was du meinst, Caspar«, sagte Naudé und wies mit einer Kopfbewegung auf die drei Bärtigen. Er hatte Schoppes Anspielung missverstanden oder täuschte ein Missverständnis vor.
    Unsere drei bärtigen Koryphäen schritten mühelos voran, jeder stützte sich auf einen im Unterholz gefundenen Stock.
    Sofort suchten wir es ihnen nachzutun. Jeder griff sich einen kräftigen Ast vom Boden, sogar Schoppe erhielt einen, obwohl er bequem auf Kemals Rücken hockte. Wie gewohnt Verwünschungen und Nörgeleien brummend, ließ der deutsche Herr seinen Stock durch die Luft sausen, wobei er den armen Kemal zu treffen drohte, der mit dem Kopf nach rechts und links ausweichen musste. Doch der Korsar klagte nicht, und als ich verstohlen sein Gesicht betrachtete, sah ich, dass seine Züge versteinert waren und keinerlei Spuren von Reue oder Angst zeigten. Es schien nicht so, als hätte er soeben seinen alten Räuberkumpan getötet, als läge ihm ein Toter auf dem Gewissen. Auch die anderen musterten ihn und hatten sicherlich alle denselben Gedanken: Wie unergründlich kann die raue Piratennatur sein!
    Der Weg wurde beschwerlich. Weit davon entfernt, in dem schattigen Wald zu trocknen, war der Boden so rutschig wie eine Eisfläche. Trotz unserer Wanderstöcke stürzten wir einer nach dem anderen und beschmutzten uns bis zu den Hüften mit eiskaltem Schlamm. Selbst Kemal musste schließlich Schoppe absetzen.
    »Dauert es noch lange, bis wir aus diesem verfluchten Sumpf herauskommen und zu Eurem Haus gelangen?«, fragte Naudé die drei Bärtigen in ungewöhnlich zornigem Ton.
    »Wir sind fast da«, verkündete einer, »die Signori werden nicht enttäuscht sein.«
    Wie ein mit Fühlern bewehrtes Insekt oder eine Katze mit empfindlichen Barthaaren spürte ich die hoffnungsvolle Erwartung, die diese Worte auslösten. Nach den Fragmenten, die wir hier und dort auf der Insel gefunden hatten, schien jetzt die

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