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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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zutiefst erniedrigtes Wesen, durch die Mischung aus Alkohol und Gewissensbissen als Wurm wiedergeboren.
    Gelähmt von deiner Scham über den Zustand des berühmtesten Bibliothekars Frankreichs, bliebst du zurück. Du ließest ihn allein weiterkriechen und wartetest auf den endgültigen Zusammenbruch.
    »Passt auf, ich sehe euch!«, faselte der Wurmmensch an die fernen Drahtzieher seiner Missetaten gewandt, während er sich durch den Staub schleppte. Tränen liefen ihm über die von Steinen und Dornen zerkratzten Wangen. »Gog und Magog, Hyänen und Bettler, Hundesöhne und Huren! Gebt mir meinen Namen zurück … ich, Gabriel Naudé, klage euch vor der ganzen Menschheit an.«
    Plötzlich fuhr ein Zucken durch seinen ganzen Körper und er ließ den Kopf zwischen das Unkraut fallen. Sofort liefst du herbei und knietest neben ihm nieder, doch dich erwartete eine Überraschung. Naudé drehte sich blitzschnell um, packte dich wie ein Krake und zog dich zu sich heran, um dich zu besitzen.
    »Monsire Naudé, was tut Ihr?«, riefst du aus, obwohl du es genau wusstest.
    Ich sah, wie er mit einer Hand versuchte, sich seiner Hosen zu entledigen, während er dir mit der anderen an den Hintern griff.
    »Ich bitte Euch, haltet ein …«, flehtest du, dich mühsam seinem Griff entwindend. Du erhobst dich, doch er zog an einem deiner Fußgelenke, sodass du neben ihn stürztest. Sogleich versetztest du ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht, der dir endlich etwas Ruhe verschaffte. Unterstützt von deinem Schlag, gewann der Alkohol die Oberhand und übergab den Bibliothekar in Morpheus’ Arme.
    Das war der richtige Moment: Ich kam aus meinem Versteck und rief dich. Dein Schreck über mein plötzliches Erscheinen in der Nacht von Gorgona verwandelte sich sofort in Erleichterung.
    |636| »Ich bin eben erst gekommen«, log ich. »Den letzten Teil Eures Gesprächs mit Monsire Naudé habe ich noch gehört.«
    »Woher wusstet Ihr, dass ich hier bin?«
    »Als ich aufwachte, sah ich Eure Lager verlassen und fürchtete, dass etwas nicht in Ordnung sei. Ich habe die ganze Gegend abgesucht und Euch endlich gefunden. Wie es scheint, habe ich gut daran getan.«
    »Ja, Ihr hattet ein gutes Gespür«, sagtest du, »und jetzt danke ich dem Himmel, dass ich nicht mehr allein bin.«
    Keiner machte eine Bemerkung über Naudés ekelhaften erotischen Angriff. Wir schleppten ihn zu unserem improvisierten Hauptquartier.
    Währenddessen gabst du mir Bericht von der Beichte des Bibliothekars, auf die ich mit geheucheltem Erstaunen reagierte. Im Grunde warst du stolz auf dich und das zu Recht. Die Welt der Päderasten war dir nur allzu vertraut, du hattest so getan, als würdest du auf Naudés Angebot eingehen, um ihn in eine Falle zu locken, und das Fässchen Likör, das er sich selbst besorgt hatte, war dir eine Hilfe gewesen. Wer weiß wie viele Leute dieses Schlages du schon den bösen Erpressungen deines Herren Mattias de’ Medici erliegen sahst.
    Als dein Bericht beendet war, blieben wir stehen, um Luft zu holen. Naudé war nicht beleibt, aber auch kein Fliegengewicht.
    »Jetzt, da er halbtot ist, wiegt er weniger als vorhin, als er hellwach und erregt war«, bemerktest du, während du dir seine reglosen Beine erneut auf die Schultern ludst.
    »Ja, Signorino Atto. Je heftiger sie sich erregen, diese billigen Verschwörer, desto weniger sind sie wert.«
    »Was meint Ihr?«
    »Seien wir ehrlich, Signorino Atto: Wir dachten, wir hätten einen wichtigen Mann vor uns, einen aus den oberen Rängen der Starken Geister. Wir haben ihm gerissene kriminelle Pläne, Ehrgeiz und eine faszinierende Bosheit unterstellt. Stattdessen wurde er nur benutzt, wie viele andere auch. Ich erinnere mich nicht, wer geschrieben hat: Von zehn Verschwörern sind sechs Dummköpfe, drei sind Spione des Fürsten, und nur einer ist ein gefährlicher Mann.«
    »Und Naudé ist einer der sechs.«
    »Mehr oder weniger. Gesteuert von Diodati, den Starken Geistern aus Paris und Cassiano dal Pozzo. Er war nur das Werkzeug der wirklichen Verschwörer, der wahren Mörder Bouchards.«
    |637| Endlich hatten wir das schäbige Häuschen erreicht, das uns Herberge bot. Alle schnarchten friedlich. Als wir Naudé auf sein Strohlager betteten, stand ihm ein erschöpftes, kindliches Lächeln im Gesicht.

DISKURS XCV
    Darin die Umgebung erforscht wird und ein böses Omen auftaucht, besser gesagt, eine Todesahnung.
    Ich erwachte bei Tagesanbruch mit schmerzenden Gliedern von der unbequemen Haltung,

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