Das Mysterium der Zeit
Schwur auf die Tetrade verpflichtete Euch, die Spielregeln einzuhalten, die Regeln jenes Spiels, in das Euch Cassiano dal Pozzo später in Rom verwickeln würde. Ihr hattet auf etwas Unbestimmtes geschworen, und eben darum konntet Ihr Euch nicht entziehen. Was hatte Bouchard geschrieben: ›Leute, denen man sich nicht widersetzen kann.‹ Sie hatten Euch hineingezogen, und einen Ausweg gab es nicht …«
Wie tüchtig du geworden warst, mein Atto! Scharfsinnig wie ein Ermittlungsrichter, doch auch mit der Unschuld des jungen Menschen sprachst du über die entsetzliche Schande Naudés. Wenn ich dieselben Worte ausgesprochen hätte, hätte Naudé mich oder sich selbst umgebracht oder uns beide.
Aber er hörte dir nicht mehr zu. Er warf das Fässchen in eine Ecke, erhob sich und ging aus dem Haus, schwankend wie eine vom Wind |631| hin- und hergeworfene Vogelscheuche. Du liefst ihm nach, versuchtest ihn aufzuhalten, doch vergebens. Es ist leichter, einen Ochsen zum Stillstehen zu bringen als einen gut abgefüllten Betrunkenen.
Als ihr herauskamt, duckte ich mich hinter ein Mäuerchen. Auch im Freien erholte Naudé sich nicht, ja er schien nun vollends den Kopf zu verlieren. Torkelnd wie ein lahmes Pferd stolperte er mitten durch die Büsche, die das Haus von den Nachbarhäusern trennten, und trieb sein Gefasel bis ins Äußerste:
»Schakale, Schatten und Lemuren! Sie haben aus mir gemacht, was sie wollten … Ich weiß, was ihr über mich redet, ihr Bewohner dieser Insel, Schoppe, Hardouin, Pasqualini und Guyetus, ihr seht mich schon kopfüber hängen, nennt mich einen Mörder. Ich weiß, was ihr denkt: Du bist nichts wert, Naudé. Hahaha!« Er brach in ein schallendes, trauriges Gelächter aus. »Aber sag es Guyetus, sag es ihm ruhig: bis ich erledigt bin, das dauert noch, da kann er lange warten, verflucht, weil ich …«
Du unterbrachst ihn: »Monsire Naudé, Guyetus ist tot.«
Endlich verstummte er und musterte dich mit einem Ausdruck unsäglichen Staunens.
»Was hast du gesagt?«, stammelte er.
Ich nutzte den Augenblick der Verwirrung, die euch beide erfasst hatte, um in den Raum zu schlüpfen, in dem ihr bis vor kurzem getrunken und geredet hattet. Ich brannte vor Neugierde, die Papiere zu sehen, die du Gabriel Naudé zu lesen gegeben hattest, und die sein finsteres Bekenntnis ausgelöst hatten.
Die Blätter lagen noch da, wo ihr sie zurückgelassen hattet. Ich sammelte sie ein und las blitzschnell, um gleich danach zurückkehren und euch im Auge behalten zu können.
Nοδέ will sich rechtfertigen. Er bittet immer noch darumbesuchen zu dürfen, obwohl er noch im Bett liegt. Lästig und dreist.hat ihm durch einen Diener geantwortet. Wir werden sehen, wie weit er geht. Schlechtes Gewissen.
Neue Antwort vom Cavaliere Cassiano dal Pozzo. Warmer, mitfühlender Tonfall, obwohl erzunächst wie einen Lehrling behandelte.hat bereits eingewilligt, ihn zum Kurator zu machen, und ihm gesagt, dass seine privaten Schriften keine Geheimnisse |632| enthalten. Synkellos und die griechischen Historiker für die Barberini. Er kommt am Dienstag. Kuchen und Kaffee. Diener des Kardinals. Bericht über die Ausgaben.
Aus Paris antworten sie nicht mehr. Drei Briefe an dieohne Antwort. Keiner hilftschweigt wieder. Eine unüberwindliche Mauer.
Die Aufzeichnungen über die griechischen Historiker ordnen. Gesamtausgabe von Synkellos in einem Jahr.
Poggio – Tacitus – Manilius
Petronius – Scaliger – Synkellos
Chiffre der Namen
Tempus der Zeit
Liste mit Anweisungen. Sicherer Ort.
Impia cohors
Deniaisez
Die Wirklichkeit pervertieren.
Da gab es nicht viel zu enträtseln. In den unmittelbar auf das Attentat folgenden Tagen hatte Naudé Bouchard mehrmals gebeten, ihn besuchen zu dürfen, doch Bouchard, abgestoßen vom »schlechten Gewissen« Naudés, hatte ihm Besuche verwehrt.
Unterdessen hatte der Cavaliere Cassiano dal Pozzo sich als Testamentsvollstrecker angeboten, soeben hatte ich von Naudé den Grund gehört. Dann einige Zeilen über seine Beziehungen zur Heimat. Aus Frankreich kommt nur das feindliche Schweigen seiner Kollegen, den Du Puy und sogar Guyetus, die einst seine Freunde waren. Also hatte Naudé die Wahrheit über Guyetus Schweigen gesagt, als wir in der Grotte des Seeochsen saßen.
Wie man aus diesen Notizen sah, hatte Bouchard in der ersten Zeit nach dem Überfall zu ordnen versucht, was er bereits über Synkellos geschrieben hatte, weil er eine »Ausgabe in einem Jahr« plante.
Die von
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