Das Mysterium der Zeit
classica nel Rinascimento
, Padua 1989, S. 163 und 171; eine Zusammenfassung in M. Mayer,
Ciríaco de Ancona, Annio de Viterbo y la historiografía hispánica
, in: »Ciriaco di Ancona e la cultura antiquaria dell’Umanesimo«, Rom 1998). Um seine Inschriften-Sammlung zu komplettieren, benutzte Ciriaco unter anderem auch Texte, die ihm Begna und Pietro Cippico geliefert hatten (vgl. I. Babić,
Oporuke Pelegrine, Petra i Koriolana Cipika
, in: »Radovi Instituta za povijest umjetnosti«, 30 (2006), S. 29–49).
Es war also in diesem, literarischen Betrügereien alles andere als feindlich gesonnenen, engen Umfeld, in dem der Petronius von Traù ans Licht kam. Eine gewisse Neigung der dalmatischen Humanisten zu betrügerischen Praktiken wird übrigens auch im nachfolgenden Jahrhundert von Figuren wie dem bekannten Plagiator Ivan Tomko Mrnavic (1580–1637),
alias
Joannes Tomcus Marnavitius belegt (vgl. M.B. Petrovich,
Croatian Humanists and the Writing of History in the Fifteenth and Sixteenth Centuries
, in: »Slavic Review«, 37/4 (1978), S. 624–639, insbesondere S. 628).
Alle wussten es, niemand sagte etwas
Zwischen 1423, dem mutmaßlichen Entstehungsjahr des Kodex Traguriensis, und 1664, dem Jahr der Veröffentlichung in Padua, verschließt vor dem Gastmahl des Trimalchio jeder Augen und Ohren. Das Gastmahl geht durch viele Hände, aber niemand lässt diese Nachricht nach außen dringen, niemand bespricht es, niemand gibt es einem Drucker, und – noch unerklärlicher – niemand fertigt eine Kopie an. Eine mit bloßen Augen erkennbare Absurdität, für die bisher kein Gelehrter eine Erklärung finden konnte. Es ist also anzunehmen, dass das Petronius-Fragment des Kodex Traguriensis im humanistischen Umfeld von Spalato und Traù seit jeher als Fälschung bekannt war (wir haben gesehen, dass sogar sein Entdecker Marino Statilio diesen Verdacht hegte), die das Risiko eines Skandals in sich trug, wie er nach der Veröffentlichung in Padua auch tatsächlich ausbrach.
Es ist keine Überraschung, dass dies gerade mit Petronius geschah. Das
Satyricon
zog auch später die Aufmerksamkeit der Fälscher auf sich: Gegen Ende des 17. Jahrhunderts publizierten der Franzose Nodot und zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Spanier Marchena weitere bisher nicht veröffentlichte Teile von Petronius – die dann als dreiste Täuschungen entlarvt wurden.
|818| Der Traguriensis allerdings setzt sich durch. Am Ende ist es der dalmatische Historiker Giovanni Lucio, einer der einflussreichen Förderer der Paduaner Edition, der Statilio überzeugt, das Petronius-Fragment aus der Schublade zu ziehen und es in Druck zu geben. Doch Lucio treiben spezielle Beweggründe an: Sein Interesse gilt der Bestätigung eines dalmatischen Nationalbewusstseins gemäß der alten römischen Tradition und der Aufwertung der Stadt Trogir, über die er Jahre später eine große Sammlung historischer Erinnerungen publizieren wird (vgl. V. Brunelli,
Giovanni Lucio
, in: F. Semi und V. Tacconi (Hrsg.),
Istria e Dalmazia. Uomini e Tempi
, Udine 1992). Wahrscheinlich sieht Lucio in der Veröffentlichung eines lokalen »Schatzes« die Möglichkeit, in seinem Vaterland zu Bekanntheit und Ansehen zu kommen.
Es verwundert nicht, das viele Hintergründe dieser Geschichte lange unbekannt blieben: Der größte Erforscher des dalmatischen Humanismus und des Personenkreises um Begna und Cippico ist der Wissenschaftler Giuseppe Praga, der in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen seine Beiträge zur Familiengeschichte der Cippico veröffentlichte (G. Praga,
Indagini e studi sull’umanesimo in Dalmazia
:
il codice di Giorgio Begna e Pietro Cippico
, in: »Archivio storico per la Dalmazia«
,
13/77 (1932), S. 210–218). Praga war jedoch vermutlich wenig geneigt, unangenehme Dinge über die Cippico zu schreiben, denn die Zeitschrift, in der er seine Studien veröffentlichte, war von Antonio Cippico, während des faschistischen Regimes Senator des Reiches, gegründet worden. Der Jude Praga befand sich – derweil in Italien die Einführung der Rassengesetze drohte – in einer riskanten Situation.
Aber auch von anderer Seite wurde darauf verzichtet, die Wahrheit zu erforschen. Nicola Pace (
Ombre e silenzi
, op. cit., S. 374 und 379), der die Abfolge der Einschüchterungsversuche und Drohungen rekonstruiert hat, über die man schließlich zur Edition von Padua gelangt war, kommentiert dies so: »Es scheint, als hätte eine seltsame Blindheit viele Petronius-Kritiker
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