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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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mich von hier fortzubringen! Aber nimm deine Hände weg!«
    »Darüber läßt sich reden«, sagte Gudun schnell. Sie machte Gorma ein Zeichen. Widerstrebend zog sich diese zurück.
    »Wer bist du?« fragte Gudun. »Und warum willst du fort?«
    Sie kicherte irr.
    »Artiki«, sagte sie. »Ich bin Artiki, und ich will fort, weil sie mich hassen. Ich kam erst vor kurzem hierher und ich weiß vieles nicht, das sie wissen. Aber dieses wenige ist schon zuviel.« Ihre Miene verfinsterte sich. Sie sprach nun fast beschwörend. »Niemand verläßt das Nasse Grab lebend. Wie konnte ich glauben, daß ihr mir zu helfen vermögt! Ihr seid dem Tod geweiht, und auch jene, die ihr sucht, müssen sterben.«
    Gorma wollte auffahren. Gudun sagte schnell:
    »Das werden wir sehen. Kannst du dir denken, wo sie sind?«
    »Ich kann mir denken, was mit ihnen geschehen wird. Anemona wird ihre Opfer erhalten. Die schreckliche, unersättliche Göttin braucht Opfer, immer neue Opfer…«
    »Sie ist krank!« rief Gorma zornig aus. »Seht ihr nicht, daß ihr Geist umnebelt ist? Vielleicht erzählt sie uns nur Märchen. Wir sollten uns die Fischmenschen draußen vornehmen!«
    »Fischmenschen?« Artiki lachte wieder, aber es klang wie Weinen. »Was wißt ihr vom Meervolk?«
    »Meervolk?«
    Sie nickte heftig.
    »Die Tritonen. Eines Tages werden alle, die ihr am Strand gesehen habt, so sein wie sie. Aber ich will ein Mensch bleiben oder sterben! Ihr seid keine Ausgestoßenen. Vielleicht schafft ihr es doch, zu entkommen. Ihr seid stark und…« Sie erhob sich und gestikulierte heftig mit den schmutzigen Armen. »Nehmt mich mit, und ich zeige euch die Tritonen!«
    »Wer sind die Tritonen?« kam es vom Eingang. Die Amazonen fuhren herum. Lautlos war Sosona eingetreten.
    »Sie leben im Meer«, flüsterte Artiki. Ihre Augen glänzten wie im Fieber. »Die Anemona ist ihre Göttin.«
    »Wir nehmen deine Hilfe an«, sagte Sosona. »Du kannst bei uns bleiben. Warte hier auf uns.«
    »Aber…!« wollte Gorma protestieren. Die Hexe brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.
    »Folgt mir hinaus«, sagte sie hart. »Faihle, bleib hier und paß auf Artiki auf.«
    Sie drehte sich um und schob den Vorhang zur Seite. Gudun folgte ihr.
    Nur Gorma blieb noch stehen.
    »Weshalb hat man dich hierher verbannt?« fragte sie Artiki.
    Die Ausgestoßene zögerte mit der Antwort. Sie schlug den Blick nieder.
    »Warum?« herrschte Gorma sie an.
    Artikis Kopf fuhr in die Höhe. Trotzig sah sie die Amazone an.
    »Ihr sucht einen Regenbogenballon?« stieß sie hervor. »Dann ist eine der Verschollenen eine Zaubermutter? Oh ja, ich mag vieles vergessen haben, aber noch nicht alles! Auch ich war eine Amazone wie ihr, bis ich durch Schwangerschaft meine Ehre verlor! Deshalb bin ich nun hier! Deshalb hassen mich auch die anderen. Nie werden sie mich in ihre Gemeinschaft aufnehmen! Euch aber bleibt gar nichts anderes übrig, als mich mitzunehmen, denn nur ich kann euch führen!«
    »Du hast dich von einem Mann…!« Gorma konnte nicht weiterreden. Abscheu und Zorn verschnürten ihr die Kehle. Auch Gudun war zurückgekommen und starrte Artiki an.
    Sie war größer als die anderen Inselbewohner. Dies war etwas, das die Kriegerinnen zwar zu Kenntnis genommen, dem sie aber keine große Bedeutung zugemessen hatten. Artiki mochte wahrhaftig einmal eine Amazone wie sie gewesen sein. Doch ihre Verfehlung war unverzeihlich.
    »Niemals werden wir eine wie dich an unserer Seite dulden!« rief Gudun zornig aus. »Welcher Zaubermutter hast du gedient?«
    »Der Zahda!« schrie Artiki zurück. »Und ich hasse sie für das, was ihre Amazonen mir antaten! Ist es die Zahda, die ihr sucht? Ich flehe die Götter an, daß sie es ist!«
    »Kommt jetzt!« befahl Sosona streng. Widerstrebend folgten ihr Gudun und Gorma.
    Vor der Hütte schüttelte Gorma energisch den Kopf.
    »Du kannst nicht von uns verlangen, daß wir eine wie sie in unsere Mitte nehmen!«
    Sosona winkte energisch ab.
    »Welche Wahl haben wir denn? Sie hat recht, wenn sie sagt, daß nur sie uns weiterbringen kann. Ihr habt gesehen, daß die anderen Ausgestoßenen lieber den Tod wählen, als uns zu helfen. Und sie ist krank im Geist. Vielleicht hat ihr die Schuld, die sie auf sich lud, den Verstand geraubt.« Sie drehte sich zum Meer und starrte in die Ferne. »Außerdem ergeben ihre Worte, mögen sie auch wirr sein, einen Sinn. Ich hörte alles. Sie sprach von Anemona, der Göttin des Meervolks. Dann aber stimmen die alten Legenden, und es

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