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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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blieben geschlossen. Trotzig blickte der Mann Gorma in die Augen, und da wußte sie, daß er eher sterben würde, als etwas zu verraten.
    Wovor fürchteten sich diese Menschen so sehr? Ihre Angst vor den Enterseglern konnte ganz einfach dadurch erklärt werden, daß sie schon Bekanntschaft mit diesen Ausgeburten der Finsternis gemacht hatten. Aber hatten sie Zaem und Burra gesehen?
    Unschlüssig, von kaltem Zorn gepackt, stand die Amazone vor den Gefangenen.
    »Wir könnten euch alle töten, und wir würden doch nichts erfahren! Ist es nicht so? Aber wenn wir euch anbieten würden, die Entersegler von hier zu vertreiben? Sagt uns, was ihr wißt, und führt uns zum Regenbogenballon, wenn ihr könnt! Gemeinsam mit unseren…«
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren.
    Eine Amazone hatte sich aus dem Kreis gelöst und rannte auf eine der Lehmhütten zu. Sie verschwand im Dunkel des Eingangs und kam gleich darauf mit einer Inselbewohnerin zurück. Die bis auf den knappen Lendenschurz nackte, bleichhäutige und über und über mit Schmutz bedeckte Frau wehrte sich nicht. Aber auch aus ihren Blicken sprach die nackte Angst.
    »Ich sah sie«, erklärte die Kriegerin. »Ganz kurz sah ich ihren Kopf, im Schein des Feuers, als sie ihn zum Fenster herausstreckte. Sie beobachtete uns wohl schon die ganze Zeit über.«
    Aber sie war nicht geflohen, dachte Gorma.
    Gudun hatte den gleichen Gedanken wie sie. Sie bedeutete Sosona und den anderen Amazonen, beim Feuer zu bleiben und die Gefangenen zu bewachen. Nur Gorma und der Kriegerin, die den Fang gemacht hatte, nickte sie zu.
    Die drei schleppten die Inselbewohnerin zurück zur Hütte, in der sie sich versteckt gehalten hatte. Bevor sie sie erreichten, entstand beim Feuer ein Tumult. Eine der Frauen sprang auf und begann die Verfemte wüst zu beschimpfen und Schlick nach ihr zu werfen, bevor sie von zwei Kriegerinnen zum Schweigen gebracht werden konnte.
    Gorma schob die Gefangene in die Hütte, wartete, bis Gudun und Faihle an ihr vorbei waren, und spannte das schwere Tuch über den Eingang. Gudun hatte ein Holzscheit mitgenommen und zündete damit den Docht der Kerze auf dem schiefen Tisch an.
    Sie beugte sich über die Fremde, die vor ihr am Boden lag.
    »Du willst uns etwas sagen?« fragte sie nur.
    Die Frau starrte sie an, doch ihr Blick ging durch sie hindurch.
    »Sie werden mich töten«, flüsterte sie. »Sie hassen mich. Sie werden mich ihrer unersättlichen Göttin opfern.«
*
    Gudun richtete sich kerzengerade auf, daß sie mit dem Kopf gegen die feuchte Decke der Hütte stieß.
    »Was redest du da?« fragte sie barsch. Die Inselbewohnerin machte nun den Eindruck, daß ihr Geist verwirrt und krank sei. Sie verzog das Gesicht, das einmal hübsch gewesen sein mußte. Jetzt hatte sie tiefe Ränder unter den Augen und Narben auf Stirn und Wangen. Sie war noch nicht alt, dreißig Sommer vielleicht.
    An ihrem Körper waren noch keine Anzeichen einer Veränderung festzustellen. Sie war schmutzig und heruntergekommen, und was auf den ersten Blick wie verkrustete, geschuppte Haut ausgesehen hatte, war nichts als getrockneter Uferschlamm.
    Sie nickte zögernd. Wieder blickte sie die drei Amazonen eine nach der anderen an, als suchte sie zu ergründen, ob sie ihnen trauen dürfe.
    »Es ist so«, sagte sie endlich. »Sie hassen mich, weil ich nicht so bin wie sie. Noch nicht, und ich will nicht so sein! Deshalb werden sie mich der Anemona opfern, so wie…«
    »Wie wen?« fragte Gorma schnell. Anemona! Dies war der Name aus den Legenden. Gorma erschauerte.
    »Diejenigen, die ihr sucht, sind im Nassen Grab verschollen? Wißt ihr das ganz genau?«
    Gorma nickte.
    »Dann«, flüsterte die Inselbewohner rin, »wird man auch sie opfern.«
    Die Amazonen blickten sich alarmiert an. Gorma hockte sich vor die Fremde hin und legte ihr schwer die Hände auf die Schultern.
    »Dann hast du sie gesehen? Den Ballon?«
    Zögernd schüttelte sie den Kopf. Sie versuchte, sich aus Gormas Griff zu befreien, aber die Kriegerin hielt sie eisern fest.
    »Nein. Niemand hat einen solchen Ballon gesehen«, sagte die Frau. »Keiner aus diesem Dorf und niemand von dieser Insel. Aber es gibt noch andere Inseln, und überall…«
    Sie schüttelte sich und biß die Zähne aufeinander, als scheute sie sich, etwas ungeheuer Schreckliches auszusprechen.
    »Was?« herrschte Gorma sie an. »Rede schon! Was ist auf den Inseln?«
    »Laß mich los!« schrie die Ausgestoßene. »Ich will euch helfen, wenn ihr mir versprecht,

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