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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Scida und Kalisse!«
    »Ja«, sagte Scida. »Du glaubtest wohl, du wärst uns für alle Zeiten los, wie? Daraus wird nichts, mein lieber Gerrek. Ich fürchte, wir müssen noch eine Zeitlang miteinander auskommen.«
    Auch Kalisse kam zu sich.
    »Das ist unmöglich«, flüsterte sie. »Wir müssen tot sein.«
    Mythor schüttelte den Kopf.
    »Wir leben, und wir sind an Land. Dort, die Tempelruine.«
    »Ich sehe sie«, knurrte Scida. »Ich sehe sie, und ich sehe dich. Aber bei Fronja, wie sind wir hierhergekommen?«
    »Nicht durch unsere eigene Kraft. Ich weiß, es klingt verrückt, doch nur jene können uns gerettet und an Land gebracht haben, denen wir nach dem Willen der Inselbewohner geopfert werden sollten.«
    »Die Tritonen?«
    Mythor nickte.
    »Die Steintür am Ende des unteren Ganges«, sagte er. »Sie muß eine Verbindung zum Meer sein. Wir hätten uns darüber wundern müssen, daß das Labyrinth unter der Statue nicht unter Wasser stand, wenn dieses doch mit jeder Flut in sie eindringt. Es muß eine Tür ins Reich der Tritonen sein – und der Anemona. Bei Ebbe öffnen die Meeresbewohner sie, so daß das eingedrungene Wasser abfließen kann, aus welchem Grund auch immer. Nun benutzten sie sie, um ins Labyrinth einzusteigen und uns herauszuholen.«
    Er stand auf, schritt bis zum Ende der Landzunge und sah die Schleifspuren, die aus dem Wasser kamen.
    »Dort seht ihr es. Die Tritonen holten uns aus der Höhle und brachten uns an Land – rechtzeitig genug, um uns vor dem Ertrinken zu retten.«
    »Aber warum?« fragte Kalisse. »Welchen Grund sollten ausgerechnet sie haben, uns zu retten?«
    »Die Inselbewohner wollten uns ihnen opfern«, sagte Scida. »Die Probe, die wir bestehen sollten, bestand in nichts anderem. Sie wollten uns in das Labyrinth stoßen, wohl wissend, daß die Flut kam und die Tritonen uns holen würden.«
    Mythor zuckte die Schultern.
    »Und genau das taten sie auch. Aber wir leben.«
    »Das ist mir zu hoch«, klagte Gerrek. »Zerbrecht ihr euch die Köpfe darüber und sagt mir, zu welchem Ergebnis ihr gekommen seid.«
    Mythor beneidete ihn fast um seine Einfalt, wenngleich er wußte, daß sie nur gespielt war.
    Hatten er und die Gefährten wirklich geopfert werden sollen? Zogen sie nicht allzu schnell Schlüsse?
    Hatten die Inselbewohner von den Tritonen den Auftrag erhalten, sie zur Tempelruine zu bringen?
    Und mußte nicht alles, was sich nun an Fragen vor ihnen auftürmte, zurückstehen vor dem Ziel, Yacubs gesamte Brut zu vernichten? Mit Sicherheit gab es weitere Nester, auch an anderen Orten.
    Mußte nicht dieses Ziel selbst Vorrang haben vor dem Weg nach Süden, zum Hexenstern?
    Unwillkürlich drehte er Vinas Ring am Zeigefinger der rechten Hand, so wie er es oft getan hatte in der verzweifelten Hoffnung, doch noch einen Traum von Fronja zu erhalten.
    Keine Bilder drängten sich ihm auf.
    Mythor ließ den Ring los.
    Seine Miene verfinsterte sich. Dies war keine Zeit für Träume. Dies war harte Wirklichkeit.
    Und was die Inselbewohner auch immer mit den Tritonen, den Nachfahren des Alten Volkes von Singara, verband, welche Ziele die Tritonen verfolgten – Mythor und seine Begleiter waren gefangen in diesem Nassen Grab, das sehr schnell zum wirklichen nassen Grab für sie werden konnte.
    Der Weg hier heraus führte über die Anemona, über die Meermutter. Mythor spürte es, so wie er die Gefahr geahnt hatte, die von der Statue ausging.
    Er hatte gar keine Wahl. Er besaß kein Schiff, kein Boot und keinen Ballon, der ihn nach Süden tragen konnte. Er war dazu verurteilt, zu warten. Und vielleicht war dies eine Fügung des Schicksals, das so manches Mal seinen Weg vorgezeichnet hatte.
    Vielleicht hatte er hierherkommen müssen, um die Gefahr, die von Yacubs Nachkommenschaft für die Lichtwelt ausging, zu bannen. Vielleicht stellten ihn die Götter selbst auf die Probe – auf eine Probe, wie er sich eine härtere kaum vorstellen konnte.
    Wenn Yacub weitere Nester angelegt hatte – wie sollte er sie finden?
    Wie konnte er hoffen, Zaem noch zuvorzukommen, falls es nicht schon zu spät dazu war?
    Mythor machte seiner Verzweiflung mit heftigen Verwünschungen Luft, bis Scida ihn am Arm packte und umdrehte.
    »Dort«, sagte sie.
    Wo die Landzunge ins Meer stieß, stand Dorgele.
    Die Ausgestoßene winkte. Mythors Sorgen wichen für Augenblicke der Erleichterung darüber, daß zumindest die Tempeldienerin nicht von den Enterseglern getötet worden war. Und wenn sie ihnen entkommen war, hatten

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